10 belastende Kindheitserfahrungen

10 belastende Kindheitserfahrungen

Ich bin schon ziemlich lange davon überzeugt, dass Trauma, bzw. Entwicklungstrauma massive Auswirkungen auf den Körper, auf das Leben, auf die Persönlichkeitsentwicklung und vor allen Dingen auch auf die Gesundheit hat.

Eine traumatische Entwicklungsstörung entsteht durch sich wiederholende Erlebnisse als Kind, die in uns sehr viel Stress ausgelöst haben und uns darauf geprägt haben, in einer inneren Alarmbereitschaft zu sein.  Häufig ist dies auch mit vielen Ängsten und Sorgen verbunden (die einen dann auch im Erwachsenenleben nicht wirklich loslassen). Es ist davon auszugehen, dass diese Belastungen in der Kindheit in uns eine innere Landschaft anlegen, die wir dann als „Hochsensibilität“ empfinden. (Also eher eigentlich Vulnerabilität und natürlich ist auch klar, dass es an der jeweiligen persönlichen Resilienz und den Umständen liegt, wie intensiv die Ausprägung dann ist.)

Im Rahmen meiner Beschäftigung mit dem Thema Trauma bin ich immer wieder auf den Begriff

ACE (Adverse Childhood Event: Belastende Kindheitserfahrung)

gestoßen. Natürlich beschäftigen sich auch Wissenschaftler mit der Frage, ob die belastenden Kindheitserfahrungen sich auf das spätere Leben auswirken. Dabei sticht besonders die CDC-Kaiser-ACE Study heraus, über die 1998 ein Artikel im Journal of Predictive Medicine veröffentlicht wurde. Diese Studie wurde gemeinsam mit dem Center for Disease Control and Prevention und der privaten Krankenversicherung Kaiser Permanente durchgeführt. Die Studie enthält Daten von 17.421 Menschen, die in der Mehrheit weiß waren und eine akdemische Bildung erhalten hatten und über eine gute Gesundheitsversorgung verfügten. Mehr Einzelheiten über diese Studie finden Sie hier.

Diese Studie hat übrigens dazu geführt, dass viele Länder ebenfalls Studien über belastende Kindheitserfahrungen durchgeführt haben.

Graph showing how adverse childhood experiences are related to risk factors for disease, health, and social well-being. The lifespan is represented as an arrow ascending past the layers of a pyramid, beginning at Adverse Childhood Experiences and moving through Social, Emotional, and Cognitive Impairment; Adoption of Health-risk Behaviors; Disease, Disability, and Social Problems; and finally Early Death. Smaller arrows depict gaps in scientific knowledge about the links between Adverse Childhood Experiences and later risk factors. Charles Whitfield, M.D., Centers for Disease Control and Prevention

Nur kurz zu den Ergebnissen (denn eigentlich finde ich vor allem die Liste der Erfahrungen für uns interessant):

mehr als zwei Drittel Studienteilnehmer*innen

erlebten mindestens eine belastendes Ereignis in der Kindheit, eineR von 5  Teilnehmer*innen mindestens 3 . Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass belastende Ereignisse bedeuten, dass die Prävalenz chronischer Krankheiten, wie schweres Übergewicht, Krebs, Herzkrankheiten, Lungenkranktheiten, Schlaganfall, Diabetes, Depression, usw.) begünstigt wird. Dazu kamen noch Verhaltensweisen, die der Gesundheit nicht zuträglich waren wie Rauchen, Alkoholmissbrauch, Substanzmittelmissbrauch usw.) Es gilt als belegt, dass ein Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen den ACEs und negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und das emotionale Wohlbefinden besteht und dass dieses Risiko mit der Anzahl der ACEs steigt.

Wenn Sie sich weiter unten die Liste ansehen, dann werden Sie merken, dass es sich hierbei nicht um einmalige Vorkommen handelt, sondern eher um Zustände, die nicht punktuell, sondern vermutlich andauernd – wenn nicht sogar anhaltend über einen sehr langen Zeitraum – waren.

Ich möchte mich mit meine Liste nicht ganz sklavisch an die offizielle ACE-Liste halten, auch wenn sie im Wesentlichen übereinstimmt:

 

1. Süchtige Eltern

Dabei muss es sich durchaus nicht nur um Alkohol handeln, es kann sich auch um Sex, Spiele, Drogen, Arbeit, Essen, Fremdgehen, Fernsehen, Putzen usw. handeln. Was man dabei im Blick haben sollte: die Sucht geht immer, immer vor. Und der nichtsüchtige Elternteil ist dabei sehr häufig vor allem auf den süchtigen Elternteil bezogen, d. h., die Kinder bleiben eher außen vor und erhalten sehr viel weniger Aufmerksamkeit, abgesehen von allen anderen Schwierigkeiten, die die Sucht eines oder mehrerer Elternteile mit sich bringt. Ich stamme selbst aus einem Alkoholiker Haushalt und werde demnächst dazu noch mehr schreiben.

Auf jeden Fall gehört zur Liste der Konsequenzen das  (unangebrachte) Übernehmen von Verantwortung für die Familie, weil die Eltern selbst dazu häufig nicht in der Lage sind. Auch Verleugnung und Verdrängung sowohl nach innen (was eigene Gefühle angeht) als auch nach außen (was die Zustände in der Familie angeht) sind ebenfalls sehr wichtige Auswirkungen auf Kinder, deren Eltern süchtig sind.

2. Verbale Angriffe

In Ihrem Zuhause gibt es keine Ruhe, es gibt viel Streit in der Familie. Auch für Sie gibt es keine Liebesbeweise, nie bekommen Sie zu hören, dass Sie etwas gut gemacht haben, dass Sie geliebt werden o. ä. Statt dessen werden Sie dauernd runtergeputzt und man lässt keine Gelegenheit aus, Ihnen zu vermitteln, dass Sie einfach nicht wichtig sind. Häufig machen Sie die Erfahrung, dass ein Geschwisterkind durchaus geliebt oder bevorzugt behandelt wird, oder dass die Eltern oder ein Elternteil sich mit Geschwisterkindern gegen Sie verbünden.

3. Emotionaler Missbrauch

Sie müssen häufig als Partnerersatz für einen Elternteil herhalten, entweder, weil der Elternteil tatsächlich nicht mehr da ist, oder weil er sich abgewandt hat und emotional überhaupt nicht mehr verfügbar ist. Sie werden als Vertraute der Mutter benutzt und in Ehegeheimnisse eingeweiht, die sie nicht wissen wollen oder auf die Seite des Vaters gezogen und dienen als Verbündete. Sie dürfen kein Kind sein.

4.Vernachlässigung

Sie haben einfach das Gefühl, nicht zu zählen, bedeutungslos zu sein.  Und das ist das schlimmste von allem. Vielleicht haben Sie schon einmal von den Experimenten mit gegorenem Reis gehört, der jeweils unterschiedlichen Behandlungen unterzogen wurde (liebevoller Zuspruch, verbale Attacken und völliges Linksliegenlassen). Die Reisproben, die einfach nicht beachtet wurden, zweigten die schlimmsten Auswirkungen. Jemand der so aufwächst, wird Schwierigkeiten haben, sich selbst wichtig zu nehmen, Selbstliebe zu entwickeln und ein erfülltes Leben zu führen. Hier gibt es durchaus Überschneidungen mit anderen Punkten, zum Beispiel mit Punkt 2.

5. Gewalt

Dies kann sowohl sexuellen Missbrauch beinhalten, als auch tatsächlich köperliche Züchtigung und Schläge. Hier geht es um Grenzverletzungen, Vertrauensverlust, körperliche Unversehrtheit, aber es spielen auch noch andere Faktoren mit hinein. Vielleicht haben wir Verantwortung dafür übernommen, für die Sicherheit andere Familienmitglieder zu sorgen (manchmal zu Lasten unserer eigenen).

6. Verlassenwerden

Dies kann alles mögliche beinhalten. Vielleicht stirbt jemand, der für Sie eine wichtige Bezugsperson war. Vielleicht verlässt ein Elternteil tatsächlich die Familie, und der andere Elternteil ist mit der Sicherung des Lebensunterhaltes beschäftigt, so dass niemand sich mehr mit Ihnen beschäftigen kann. Es kann aber auch bedeuten, dass niemand jemals Zeit für Sie hat. Viele von uns hatten Eltern, die nach dem Krieg damit beschäftigt waren, sich eine neue Existenz aufzubauen. Die Kinder liefen einfach nur so mit.

7. Frühe Abbrüche in der Bindung

Vielleicht wurden Sie zur Adoption freigegeben oder wuchsen als Pflegekind bei anderen als den ursprünglichen Eltern auf, vielleicht sogar in einem Heim. Aber vielleicht war es nicht einmal so etwas Dramatisches, sondern viel Alltäglicheres. Vielleicht hat Ihre Mutter unter einer Postnatalen Depression gelitten, konnte sich nicht mit Ihnen anfreunden, sich nicht auf Sie freuen, musste (vielleicht sogar wiederholt) ins Krankenhaus oder war sonstwie abwesend.

8. Geschwister Trauma

Dies kann ebenfalls viele verschiedene Dinge beinhalten. Vielleicht war ein Geschwister krank und Sie standen daher immer im Schatten dieses Geschwisterkindes.  Vielleicht haben die Eltern auch ein Kind vor Ihrer Geburt verloren und Sie haben den (niemals ausgesprochenen Auftrag) diesen Verlust wieder gut zu machen. Vielleicht wurden Sie Zeuge eines traumatischen Erlebnisses eines Geschwisterkindes, dem Sie nicht helfen konnten. Vielleicht haben Ihre Geschwister Sie gequält. Vielleicht wurde ein Geschwisterkind wie das „goldene Kind“ behandelt (hier kann es durchaus Überschneidungen mit Punkt 2 geben) und Sie wie „Aschenputtel“ behandelt, das kommt gar nicht so selten vor.

9. Armut

In Armut aufzuwachsen ist eine Erfahrung, die sehr, sehr tief prägt, vor allen Dingen unsere Glaubenssätze über uns selbst und die Welt. Meistens haben unsere Eltern ein entsprechend geprägtes Weltbild, das wir als Kinder übernehmen, weil wir es nicht besser wissen. Dies beinhaltet zum Beispiel, dass wir nicht daran glauben, dass wir alles Gute dieser Welt verdienen und es auch in der Hand haben, etwas dafür zu tun, wir haben kein Bewusstsein für das Potential, das in uns schlummert und möglicherweise fehlt uns eine Art natürlicher Mut …

10. Ein oder beide Elternteile sind psychisch krank

Das ist ebenfalls ein sehr schwieriger Punkt. Psychisch kranke Elternteile sorgen dafür, dass man die Familie nicht als sicheren Ort empfinden kann, da sich die kranke Person immer wieder auf unvorhersehbare Weise verhält, und vielleicht auch dafür sorgt, dass die eigene Wahrnehmung in Frage gestellt wird. Als Kind hat man relativ wenig Möglichkeiten, den Wahrheitsgehalt von Behauptungen Erwachsener zu prüfen, sondern übernimmt deren Ansichten ungefiltert. Das ist sowieso schon schwierig genug, wenn ein Elternteil psychisch krank ist, kann dies bedeuten, dass man selbst in seinem Ausdrucksverhalten vollkommen gehemmt wird, weil man zur Zielscheibe der Angst und Unsicherheiten, des Spotts oder Zorns usw. des entsprechenden Elternteils wird. Auf jeden Fall

Und natürlich können auch hier wieder Verschränkungen mit anderen Punkten entstehen.

Das war ziemlich harter Tobak. Falls Sie jetzt aufgebracht sind, klopfen Sie bitte wie oben gezeigt. Ich selbst bin übrigens mit mindestens 5 der oben genannten Erfahrungen aufgewachsen.

Ich bin natürlich jetzt sehr neugierig, wie es mit Ihnen ist. Darum habe ich mal wieder eine Umfrage erstellt und bin meganeugierig, wie sie sich über die Zeit entwickeln wird.

Falls Sie Lust haben, Ihre Erfahrungen mit uns zu teilen, freue ich mich über Ihren Kommentar unter dem Artikel.

Von Herzen, Ihre

Monika Richrath

Image by Alexas_Fotos from Pixabay 

Die Wahrheit über Hochsensibilität?

Die Wahrheit über Hochsensibilität?

Eigentlich hatte ich es mir schon in der Überzeugung gemütlich gemacht, dass Hochsensibilität offenbar doch etwas mit Trauma zu tun hat. Früher bin ich nicht dieser Ansicht gewesen, aber je mehr ich mich mit dem Thema Trauma beschäftigt habe, umso deutlicher schien sich dort ein Zusammenhang abzuzeichnen. Bei praktisch allen Menschen, die ich kennen gelernt habe und kennen lerne, stellt sich früher oder später heraus, dass ein traumatischer Hintergrund besteht, so dass ich diesen Zusammenhang (zähneknirschend) akzeptiert habe.

Nun habe ich aber im Laufe des Online-Kongresses von Lisa Laufer Vom Jobfrust zur Jobmagie erfahren, dass dies gar nicht so ist.

 

Ich habe beim Kongress in dem Gespräch mit Kathrin Sohst erfahren, dass es interessante Studien zu dem Thema gibt, die auf eine ganz andere Ursache von Hochsensibilität hinweisen. Denn offenbar wird mittlerweile in und zu diesem Thema geforscht! Und habe gleich einen ganz neuen Begriff gelernt (der mir sehr viel besser gefällt als Hochsensibilität):

Neurosensitivität

Der Wissenschaftler Michael Pluess der Queen Mary University of London bezeichnet damit die „Fähigkeit, Umgebungsreize zu registrieren und zu verarbeiten.“ Ganz einfach. Ganz neutral. Ohne irgendeine Form von schlechtem Beigeschmack.

Zwei Studien aus dem Jahr 2018 geben Aufschluss darüber, dass der Anteil hochsensibler Menschen in der Bevölkerung mitnichten 15–20 % beträgt, wie bislang angenommen. Die Studien of LIONETTI ET AL., 2018PLUESS ET AL., 2018) zeigen vielmehr auf, dass Sensitivität zwar angeboren ist, aber nicht in jedem Menschen gleich vorhanden ist. Pluess kam in seiner Studie  mit 906 Psychologie-Studenten zu dem Schluss dass Sensitivität in Menschen etwa folgendermaßen verteilt ist: 

  • 29 % wenig sensitiv
  • 40 % mittelsensitiv
  • 31 % hochsensitiv.

Das bedeutet: wir sind eigentlich nichts Besonderes. Wir sind keine besseren Menschen oder so. Wir können einfach mehr wahrnehmen. Punkt.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie dies lesen. Ich war, als ich es hörte und dann nachrecherchiert habe, einfach nur erleichtert. Habe mich dann daran erinnert, dass ich schon immer das Gefühl hatte, dass die Zahl 15–20 % an angeblichen Hochsensiblen einfach viel zu niedrig gegriffen war und dass ich früher, sehr viel früher, eigentlich auch davon ausgegangen bin, dass Sensitivität einfach nur Persönlichkeitsmerkmal ist, aber damals war die Forschung einfach noch nicht so weit und ich hatte zwischenzeitlich mein Interesse auf andere Dinge gelenkt.

Das ist aber noch nicht alles.

Man weiß ja heute, dass sich das Gehirn entsprechend den Erfahrungen in der frühen Kindheit „formt“ und darüber bestimmt, wie wir auf Reize reagieren. Konkret bedeutet dies, wenn sich in unserer Kindheit gute und schlechte Dinge die Waage halten, werden wir eine generelle Sensitivität entwickeln. Erleben wir jedoch in unserer Kindheit sehr viel Stress und erfahren wenig Unterstützung, entwickeln wir vielleicht eine 

Vulnerabilität

also eine Empfindlichkeit gegenüber Bedrohungen, Stress, Ängsten usw.

Dies muss aber nicht zwangsläufig so sein. Erfahren wir in der Kindheit vorwiegend Unterstützung, so können wir eine

Vantage-Sensibilität

entwickeln (Vantage: Vorteil). Die Wissenschaftler Tom Boyce und Bruce Ellis hatten bereits vor längerer Zeit die Begriffe „Löwenzahn- und Orchideenkinder“ geprägt. Die Löwenzahnkinder werden als robust betrachtet, belastbar, anpassungsfähig. Die Orchideenkinder sind hingegen sehr viel empfindlicher. Allerdings können sie sich in einem unterstützenden Umfeld so gut entwickeln, dass sie gesünder und belastbarer sind als Löwenzahnkinder. Denn eines ist dabei ganz wichtig:

die Fähigkeit, Positives wahrzunehmen.

Denn diese helfen ja dabei, mit dem Negativen fertig zu werden.

So kommt es also nicht nur auf die Wahrnehmung an sich an, sondern auch, ob wir Gutes und Schlechtes wahrnehmen und verarbeiten können.

Prof. Dr. Michael Pluess hat bereits in einer früheren Studie 2015 vier verschiedene Sensitivitätstypen unterschieden. Zu den drei o. g. kommt noch der Typ mit einer niedrigen Sensitivität hinzu.

Wie verarbeiten die unterschiedlichen Typen Reize?

Jemand mit niedriger Sensitivität wird sowohl positiven als auch negativen Reizen gegenüber nur eine geringe Sensitivität aufweisen.

Menschen mit einer generellen Sensitivität zeigen gegenüber positiven und negativen Reizen eine hohe Sensitivität.

Jemand mit einer vulnerablen Sensitivität zeigt eine erhöhte Wahrnehmung für negative Reize und geringe Wahrnehmung von positiven Reizen.

Und schließlich wird jemand mit einer Vantage-Sensibilität eine erhöhte Wahrnehmung für positive Reize zeigen und eine geringere Wahrnehmung von negativen Reizen.

Natürlich sind solche Typisierungen immer mit Vorsicht zu betrachten. Was mir bei Prof. Pluess ganz und gar fehlt, sind die Menschen, die aufgrund eines superschlechten Umfeldes nicht die Gelegenheit hatten, ein empathisches Gehirn zu entwickeln und in der Folge keine Sensitivität entwickeln können.

Ich selbst finde mich in dieser Aufstellung gar nicht wieder, denn ich stehe sowohl mit einem Bein in  Vulnerabilität als auch in  Vantage, habe also allem gegenüber eine hohe Wahrnehmung. Dort habe ich mich hingearbeitet durch beständiges Klopfen. Und es gibt sogar eine Studie, die zeigt, dass Menschen mit einer vulnerablen Sensitivität diese auch verändern können. Zwar geht es in der Studie um ein achtwöchiges Achtsamkeitstraining, aber es gibt sicherlich sehr viel mehr Wege aus der Vulnerabilität heraus als diesen einen. Ich selbst bin dafür ja das beste Beispiel. Mir hat die EFT tapping (or tapping acupressure) sehr geholfen.

Ich weiß noch nicht, was ich selbst mit den Informationen anfange, die ich erhalten habe. Vielleicht werde ich in Zukunft nur noch von hochsensitiven Menschen sprechen …

Wie geht es Ihnen jetzt nach dem Lesen des Artikels? Können Sie sich dort wiederfinden? Haben Sie sich vielleicht sogar schon in eine andere „Gruppe“ gearbeitet? Wie immer freue ich mich über Ihre Kommentare.

Von Herzen, Ihre

Monika Richrath

Bild von Karina Förster auf Pixabay 

Eine Frage der Identität

Eine Frage der Identität

Haben Sie eine Vorstellung davon, mit welcher Identität Sie durchs Leben gehen, bzw. Sie angenommen haben? Da Sie hier auf einem Blog für hochsensible Menschen sind, wäre es gut möglich, dass Sie sich als hochsensiblen Menschen identifizieren. (Ich tue es jedenfalls definitiv).

Aber was heißt das eigentlich?

Heißt das, dass Sie sich als Seelenflüster*in sehen, oder doch eher als scheues Reh  oder als einsamer Wolf? Als Lastenträger*in, als Schaman*in oder Heiler*in, als jemand mit Superkräften oder als jemand, der von Gott und der Welt verlassen wurde?

Ganz bewusst habe ich übrigens hier auch mal sehr positive Ausprägungen aufgeschrieben von Dingen, bei denen Hochsensibilität äußerst nützlich ist. Ich finde es ziemlich befremdlich, dass immer dann, wenn ich Artikel veröffentliche, in denen es um die guten Seiten der Hochsensibilität geht, sie viel weniger gelesen werden als „Leidensartikel.“ Das finde ich ganz schön bitter. Ich habe mich schon öfter gefragt, ob hochsensible Menschen besonders gerne leiden – aber ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass es vermutlich eher eine Identitätsfrage ist, bzw.

was man damit verbindet.

Fragen Sie fünf HSP, was Hochsensibilität für sie bedeutet, Sie bekommen sieben verschiedene Antworten – mindestens.

Was bedeutet „Identität“ eigentlich?

Das Wort kommt aus dem Lateinischen, vonīdem ‚derselbe‘, ĭdem ‚dasselbe‘. Der Duden bezeichnet damit 1. „die Echtheit einer Person oder Sache; völlige Übereinstimmung, mit dem was sie ist, oder als was sie bezeichnet wird“, 2. „als ‚Selbst‘ erlebte innere Einheit der Person.“

Wenn Ihnen das zu kompliziert erscheint, probieren Sie mal, Sätze über sich selbst zu formulieren, die beginnen mit „Ich bin der/die …“, so können Sie Ihren Identitäten auch auf die Spur kommen.

Identität als Zugehörigkeit

Da viele, viele hochsensible Menschen sich häufig ausgegrenzt, unverstanden, isoliert fühlen, und große Erleichterung erleben, wenn sie überhaupt (vielleicht erstmals) von dem Konzept der Hochsensibilität erfahren, liegt es absolut auf der Hand, die Identität einer hochsensiblen Person anzunehmen. Ich glaube übrigens, dass das kein bewusster Prozess ist. Vielleicht geschieht das schon in dem Augenblick, in dem einem bewusst wird, dass man „dazugehört“. Ich selbst bilde da absolut keine Ausnahme. Bestimmt vergesse ich niemals die zehn Zentner Steine, die von meiner Seele fielen im Moment der Erkenntnis. Das war wie eine Erlösung. Ich bin gar nicht so schräg und seltsam, es gibt Gründe dafür …Gründe, die nicht in meiner Macht stehen …!

Vom sozialen und emotionalen Standpunkt aus gesehen ist es auch notwendig, dass wir uns mit anderen Menschen verbinden. Wir brauchen andere Menschen, wir brauchen Verbindung. Ohne können wir nicht leben. Wir brauchen ebenfalls unbedingt Verständnis und das Gefühl, angenommen zu werden.

Keiner versteht Sie?

Wenn niemand Sie verstehen kann in Ihrem sozialen Umfeld, weil Ihre erlebte Wirklichkeit sich so krass von denen der anderen unterscheidet, wäre es eine supergute Idee, sich Gleichgesinnte zu suchen. Sie wissen nicht wo Sie diese Menschen finden können? Auf der Seite von hochsensibel.org finden Sie jede Menge Adressen von Gruppen etc. Ein paar Stunden unter Gleichgesinnten zu verbringen kann sich durchaus wie „Angekommen“ anfühlen. Dennoch sollten Sie da einfach nicht stehenbleiben. Wenn es keine

bewusste Auseinandersetzung mit der Hochsensibilität

gibt, wird es langfristig auch keine Veränderung geben. Dabei bringt Hochsensibilität jede Menge Lebensaufgaben mit sich, die in Angriff genommen werden wollen, wenn sich etwas zum Positiven verändern soll. Und wenn man das nicht anfängt, kann man in einer

Identitätsfalle

feststecken bleiben (Dies ist natürlich meine persönliche Meinung).  Wobei dies natürlich davon abhängt, was Sie eigentlich mit Ihrer hochsensiblen Identität verbinden? Nach allem, was ich so in den sozialen Netzwerken sehe und erlebe, leider eher meistens Dinge, die als „negativ“ erlebt werden. Das Problem dabei ist, dass, wenn wir einmal eine Identität angenommen haben, diese oft an uns klebt wie eine zweite Haut, die wir uns scheuen loszulassen.

In längeren EFT tapping (or tapping acupressure)-Coachings kommen wir nach ein paar Sitzungen häufig an den Punkt, wo es darum geht, eine Identität loszulassen, z. B. eine Identität als jemand, der sich niemals abgrenzen kann oder Dinge tut, die nur seinem eigenen Vergnügen dienen usw. Das ist äußerst angstbesetzt, weil man sich schon so mit der angenommenen Identität identifiziert, dass man das Gefühl hat, ohne sie sei man nichts mehr.

Ein Beispiel: jemand, der vielleicht unbedingt abnehmen will, schafft das nicht, weil er oder sie das Gefühl hat, dass von ihm/ihr nichts übrigt bleibt, wenn er/sie die Identität als dicker Mensch aufgibt … diese Angst vor Identitätsverlust ist ein sehr starker Motor, der uns von vielem abhält und kann sehr viel Stress erzeugen. Dabei haben wir ganz sicherlich sehr viele Identitäten. Und diese sind keinesfalls so festgeschrieben, wie wir glauben.

Meine Frage an Sie:

können Sie Ihre hochsensible Identität verändern?

Oder erweitern? Oder muss alles so bleiben wie es ist? Können Sie sich erlauben, jemand anderer zu werden (vielleicht eine andere Identität anzunehmen) und trotzdem hochsensibel zu bleiben? Können Sie sich vorstellen (ganz ketzerisch), dass es irgendwann in Ihrem Leben vielleicht mal gar keine Rolle mehr spielt ob Sie hochsensibel sind oder nicht?

Ich bin sehr gespannt auf Ihre Antworten. Wie immer freue ich mich über Ihre Kommentare.

Herzliche Grüße,
Ihre
Monika Richrath

Bild von cocoparisienne auf Pixabay

In ein paar Sekunden kann alles vorbei sein

In ein paar Sekunden kann alles vorbei sein

Alles geht ganz schnell. Innerhalb von Sekundenbruchteilen wechseln sich die unterschiedlichsten Emotionen ab: Schock, Ärger, Angst, Scham (Ich bin nicht allein), Verwunderung und – Beten (Bitte …

bitte, nicht der Kopf. Ich versuche noch, irgendwie mein Gleichgewicht zu halten, aber umsonst. Während meine inneren Prozesse im Zeitraffer ablaufen, sehe ich alles andere in Zeitlupe. Wie der Boden immer näher kommt, erst das eine, dann das andere Knie auf dem Boden aufschlägt, wie ich noch versuche, mich mit der rechten Hand abzustützen, dabei aber nur auf das Handgelenk aufschlage, und schließlich doch noch der Kopf.

Einen Augenblick bleibe ich noch liegen, überwältigt von Panik und Angst um meinen Kopf. Dann kommt der Ärger. Ausgerechnet! Alles hat so gut geklappt und jetzt das …

Schließlich lasse ich mir von meinen besorgten Freundinnen aufhelfen. Was gar nicht so einfach ist, in dem kleinen Bad ist eigentlich kein Platz für 3 Personen, erst recht nicht, wenn eine davon auf dem Boden liegt.

Kein schöner Abschluss

eines ansonsten äußerst erfolgreichen Tages. Liebe Freundinnen hatten sich bereit erklärt, mir beim Streichen meiner alten Wohnung zu helfen, alles hat supergut geklappt und nun das. Um den anderen beim Auswaschen meiner Pinsel nicht in die Quere zu kommen, habe ich diese Tätigkeit direkt in der Badewanne erledigt und bin anschließend mit den nassen Füssen auf dem Badezimmerboden ausgerutscht.

Am meisten Angst hatte ich vor einer Gehirnerschütterung. Aber nachdem mein Kopf offenbar ok ist und ich mir nicht mehr als ein paar blaue Flecken geholt habe, geht der Tag erstmal weiter. Ich merke allerdings schnell, dass es doch nicht so einfach ist. Den Rest des Tages bin ich sehr benommen. Ich muss mir schließlich eingestehen, ich bin nicht nur einfach gestürzt, sondern

ich bin erschüttert

bis ins Mark meiner Seele. Habe ich einen Schock? Vielleicht. Bin ich wegen meiner Hochsensibilität besonders erschrocken? Vielleicht. Die Erschütterung ist auch am nächsten Tag nicht vorbei. Vielmehr ist sie wie eine Art Schwelbrand, der sich nun auch in andere Teile meines Lebens ausbreitet. Ich traue mich kaum auf mein Fahrrad und bin dann ungewöhnlich ängstlich und besorgt.

ich bin geschockt über meinen sturzWas, wenn ich mit dem Fahrrad stürze?

Es ist jetzt so rutschig mit all den Blättern … vermutlich würde das nicht so glimpflich ablaufen …

Auch wenn das sich unnötige Sorgen ein ganz typisches Merkmal der Hochsensibilität ist, neige ich im Allgemeinen kaum zu Sorgen. Im Laufe der Jahre habe ich es geschafft, dem Leben gegenüber eine vertrauensvolle Haltung zu entwickeln und ich weiß ganz genau:

  • Ich bekomme was ich brauche
  • alles, was ich brauche, ist schon in mir
  • wenn ich etwas nicht bekomme, brauche ich es auch nicht
  • Ich bin behütet

Aber das ist einfach eine ganz andere Nummer. In den Tagen nach dem Sturz vergesse ich alles, was ich weiß. Dann allmählich schält sich für mich eine Art Botschaft heraus. So schnell kann es also gehen.

In ein paar Sekunden kann alles vorbei sein.

Ich habe keine Angst vor dem Tod. Und das sage ich nicht nur so dahin. Aber ich habe Angst davor, meine eigenen Möglichkeiten meiner menschlichen Erfahrung nicht genug gelebt zu haben, mir selbst nicht genug Raum zu geben, immer nur hinter der Arbeit zurückzubleiben (soviel Freude meine Arbeit mir auch macht!).

Der Sturz ist jetzt schon etliche Wochen her

die blauen Flecken sind längst verschwunden, die Knochen, auf die ich aufgeschlagen bin, schmerzen aber immer noch und zeigen mir auf eindrucksvolle Weise, wie alles, was uns widerfährt im Körper gespeichert wird. Denn jedesmal, wenn ich mich hinknie und die Stelle den Boden berührt, an der ich aufgeschlagen bin, ist sofort alles wieder da, der Sturz, der Schock, der Stress, die Verunsicherung. Zwar nicht mehr so intensiv wie vorher, aber vorhanden. Das will ich unbedingt mal auflösen lassen mit irgendeiner Form von Körperarbeit. Damit ich dieses Erlebnis als Erinnerung daran benutzen kann, dass ich vergänglich bin und mich auf keinen Fall selbst verpassen möchte.

Haben Sie schon etwas Ähnliches erlebt? Ich freue mich über Ihre Kommentare!

Herzlichst, Ihre
Monika Richrath

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