Schmerz lass nach!
Eigentlich hatte ich nur eine ganz kleine Blogpause geplant, um wieder einmal tief durchzuatmen, schöne Dinge mit meiner Nichte zu unternehmen und meine Seele ein bisschen baumeln zu lassen. Leider ist dieser schöne Plan nicht so richtig aufgegangen, denn ich musste mich unerwartet sehr intensiv mit dem Thema Schmerz auseinandersetzen – dies war schlussendlich auch der Grund dafür, dass meine Blogpause sich dann sehr in die Länge gezogen hat …
Ein Zahn, genau gesagt, der Zahn Nr. 12, hat mein aktuelles Schmerzdebakel ausgelöst. Eigentlich ist Nr. 12 schon lange tot. Und weil ich immer wieder mit den Zähnen zu tun habe und mein Zahnfleisch sich in einem chronisch schlechten Zustand befindet, hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich merkte, dass ich es diesmal nicht mit der üblichen Zahnfleischentzündung zu tun hatte, sondern viel mehr im Busch ist …
Beim Zahnarzt stehe ich mit meiner Hochsensibilität besonders auf Kriegsfuß
(Dazu habe ich schon verschiedene Beiträge veröffentlicht.)
Es beginnt damit, dass ich Schmerzen wahrnehme, wenn noch gar nichts zu sehen ist (häufig muss ich tatsächlich mehrmals zum Arzt, bis die Ursache erkannt werden kann)
Die Spritzen tun mir so weh, dass im Grunde genommen nach der Spritze schon alles gelaufen ist, weil ich mich so anstrengen muss, nicht zu weinen und „groß, stark und erwachsen“ zu bleiben, dass ich dann schon in einem emotionalen Ausnahmezustand bin.
Mir ist erst vor kurzem klargeworden, dass alle Arten von Zahnarztbesuchen vermutlich bei mir verschiedene Erlebnisse von Polypenoperationen als Kind triggern (ich nehme an, wegen der weißen Kittel und der Instrumente). Vielleicht ist das der Auslöser einer großen Zahnarzt-Angst, von der ich mich in meinen frühen Erwachsenenjahren habe verleiten lassen, jeglichen Zahnartztbesuch für den unglaublichen Zeitraum von zehn Jahren überhaupt zu meiden. Was dann wiederum dazu geführt hat, dass ich heute mindestens alle 3 Monate zum Zahnarzt gehen muss … und wenn ich das nicht tue, rächt sich das auf jeden Fall. Zum Zahnarzt zu gehen, bedeutet für mich einen Megastress.
Danach bin ich immer völlig fertig und geschafft
und muss mir was Schönes gönnen, wenn ich dann wieder essen darf (zum Glück dauert das heute ja nicht mehr so lange wie früher!). Zumindest habe ich dann die Gewissheit, dass es eine ganze Weile dauern wird, bis ich wieder hin muss.
Diesmal war es leider anders. Mein Zahnfleisch blies sich auf und entwickelte sich zu einer Megaentzündung – ich erspare Ihnen die hässlichen Einzelheiten – jedenfalls musste ich alle paar Tage hin und hatte sogar schon die private Telefonnummer meiner Ärztin für den Fall, dass ein Notfall am Wochenende einträte … Zum Glück kam es nicht so weit. Das Antibiotikum schlug allerdings nur sehr zögerlich an und wenn es eine Sache gab, die mir in dieser Zeit wirklich half, dann waren es die Endorphine, die ich zu diesem Zeitpunkt aus anderen Gründen eingenommen habe. Zuguterletzt hat sich dann herausgestellt, dass ich eine große Zyste an der Zahnwurzel habe, die operiert werden muss. Und es gab dann noch einmal einen Schreck, als ich erfuhr, dass es nur eine 50%ige Erfolgschance gibt …Dummerweise musste ich mich AN ORT UND STELLE ENTSCHEIDEN. Und wie viele andere hochsensible Menschen auch, habe ich ein echtes Problem mit schnellen Entscheidungen. Also habe ich mich für die Lösung mit dem (wie mir schien) geringsten Aufwand entschieden. Erstmal Zyste raus und auf Heilung hoffen.
Ich habe meine Zahn-OP ordentlich vorher beklopft, was mir auch geholfen hat – immerhin bin ich nach der OP vollkommen ohne Schmerzmittel ausgekommen!
Das hat mich auf die Idee gebracht, mich einmal näher mit dem Thema Schmerz zu beschäftigen. Ich habe mich gefragt, ob hochsensible Menschen vielleicht mehr Schmerzrezeptoren haben als andere, weniger empfindliche Menschen?
Schmerz wird definiert als ein unangenehmes, vielleicht auch heftiges Sinneserlebnis, das mit Gewebeschäden verbunden sein kann, aber nicht zwangsläufig verbunden sein muss. Die tatsächliche Funktion von Schmerz ist es, uns zu warnen und darauf aufmerksam zu machen, dass uns evtl. eine solche Gewebeschädigung bevorsteht. Schmerzwahrnehmung wird als
Nozizeption
bezeichnet und ist, wie andere Wahrnehmungsfähigkeiten auch, vollkommen individuell. Die Schmerzrezeptoren werden dementsprechend Nozizeptoren genannt. Rund 3 Millionen davon soll unser Körper besitzen. Dabei handelt es sich um die verzweigten Enden von Nervenfasern, die in allen schmerzempfindlichen Geweben unseres Körpers vorkommen. Sie reagieren empfindlich auf Dehnung, Druck oder Temperatur. Der so aufgenommene Reiz wird in ein elektrisches Signal umgewandelt und über spezielle Nervenfasern an das Nervensystem im Rückenmark gesendet (dabei sind bestimmte Nervenfasern für bestimmte Schmerzformen zuständig). Von dort aus werden die Schmerzsignale dann ins Gehirn geschickt, um uns zur Handlung zu bewegen.
Die Antwort auf die Frage, ob hochsensible Menschen vielleicht mehr Schmerzrezeptoren haben als andere muss ich leider schuldig bleiben. Aber wenn wir uns vor Augen halten, dass Hochsensibilität erwiesenermaßen mit einer intensiveren Verarbeitung der Sinneseindrücke einhergeht, reicht das fürs erste vielleicht schon. Ob es nun daran liegt, dass wir mehr Schmerzrezeptoren haben oder uns vielleicht bestimmte Neurotransmitter im Gehirnstoffwechsel fehlen, die für die Verarbeitung von Schmerzreizen benötigt werden oder noch etwas ganz anderes wird hoffentlich noch jemand in diesem Leben erforschen … Sicher ist:
Die Schmerzwahrnehmung ist nie ganz gleich,
was nicht nur mit unterschiedlichen Tageszeiten zu tun hat, sondern auch individuellen Befindlichkeiten, bzw. mit der Gefühlsverarbeitung, die ebenfalls am Schmerzgeschehen beteiligt ist.
Besonders tragisch wird es,
wenn der Schmerz chronisch wird,
obwohl der ursprüngliche Schmerz schon lange nicht mehr besteht. Menschen mit Fibromyalgie wissen jedenfalls ein Lied davon zu singen. Für chronischen Schmerz kommen offenbar jeweils unterschiedliche Ursachen in Betracht.
Bei Fibromyalgie geht man z. B. davon aus, dass die Nervenenden geschädigt wurden. Beim Reizdarmsyzndrom hingegen haben Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Menschen mit einem Reizdarm über mehr Schmerzrezeptoren im Dickdarmggewebe verfügen als andere … man kann offenbar also mehr Schmerzrezeptoren verfügen …
Meine Zahngeschichte ist noch nicht zuende
leider, leider. Die Zyste wurde operiert und eine Woche lang habe ich mich super gefühlt. Nach einer Woche war es vorbei, der Zahn beginnt wieder zu pochen und zu drücken und ich denke, der will doch raus. Mist. Hätte ich mich doch besser anders entschieden. Am Sonntagmorgen, wo ich den letzten Absatz dieses Artikels schreibe, sitze ich hier, während mein Zahn weiter sanft vor sich hin pocht. Der Chirurg hat sich glattweg geweigert, ihn zu ziehen („Wieso? Sieht doch alles super aus. Sie müssen Geduld haben.“) Meine Zahnärztin ist jetzt im Urlaub und mir bleibt nichts, als darauf zu warten, dass sie wiederkommt, ohne die Gewissheit zu haben, dass es mir gelingen wird, sie davon zu überzeugen, dass es sinnvoll ist, mir den Zahn zu ziehen … Vielleicht beschäftige ich mich in der Zwischenzeit einmal mit dem Thema holistische Zahngesundheit …
Was für Erfahrungen machen Sie mit Ihren hochsensiblen Zähnen? Wie immer freue ich mich über Ihre Kommentare.
Herzliche Grüße,
Ihre
Monika Richrath
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