dielus Die Liebe empathischer Menschen Umschlag 2017Schon lange habe ich mich beim Lesen eines Buches nicht mehr so gesehen und erkannt gefühlt – was sich wunderbar anfühlte. Gleichzeitig habe ich mich beim Lesen aber auch pausenlos vor Scham gewunden, eben weil ich mich darin zu
300 % selbst wiedererkannt habe …

Unbequeme Wahrheiten hören vermutlich die wenigsten Menschen gern. Und doch bin ich wirklich froh, dieses Buch gelesen zu haben, denn nachdem ich diese Wahrheiten nun aufgenommen und verarbeitet habe, habe ich natürlich auch den Beschluss gefasst, etwas an meinem Liebesverhalten zu verändern. Von daher bin ich sicher, dass Die Liebe empathischer Menschen mich nun eine ganze Zeitlang begleiten wird.

Schon der Untertitel des Buches

Die Gratwanderung zwischen wahrer Liebe und seelischen Verletzungen

machte mich ziemlich neugierig. Ich glaube ja, dass ich sie schon gefunden habe, die „wahre Liebe“, hadere aber immer wieder mit seelischen Verletzungen.

Grundsätzlich hat es mir übrigens sehr gut gefallen, dass Herr Rohleder über empathische Menschen schreibt, und Hochsensibilität eher als Extremform der Empathie betrachtet. Hier fühlte ich mich sehr gut aufgehoben.

Wie schon in „Die Berufung für Hochsensible“ greift der Autor auch in diesem Buch auf das  theoretische Konstrukt des „Drei-Ich-Modell nach Luca Rohleder© “ zurück: das NEUGEBORENEN-ICH (NI), ERWACHSENEN-ICH (EI),  und das HÖHERE-ICH (HI).

Neugeborenene verfügen nach der Geburt über Urinstinkte oder Reflexe, denn sie sind allein nicht überlebensfähig. (Mit den Instinkten sind der Zugriff des HÖHEREN-ICHs auf die Informationen der UNSICHTBAREN WELT gemeint). Das Gehirn ist noch nicht vollständig ausgereift, die Festplatte quasi unbeschrieben und einige Teile des Gehirns entwickeln sich erst durch bestimmte Lernprozesse. Wenn Sie Kinder haben, haben Sie vielleicht selbst schon die Erfahrung gemacht, dass Sie in jungen Jahren eine gewisse Übersinnlichkeit besaßen, die sich in späteren Jahren verloren hat.

Empathische Menschen zeichnen sich nach Luca Rohleder dadurch aus, dass sie die Anbindung an die UNSICHTBARE WELT nicht vollständig verloren haben. An einem bestimmten Zeitpunkt vor oder nach der Geburt kam die Entwicklung eines herkömmlichen Inneren Kindes zum Erliegen. An seine Stelle trat das NEUGEBORENEN-ICH. Herr Rohleder glaubt, dass dies bei allen Extremformen der Hochsensibilität kurz vor oder nach der Geburt geschehen sein muss, bei den empathischen Menschen irgendwann danach. Er schreibt so schön „Empathische Menschen stehen noch mit einem Bein in der UNSICHTBAREN WELT.“ Mit der UNSICHTBAREN WELT sind das intuitive Wissen von Zusatzinformationen über Umwelt, Umfeld und andere Menschen gemeint. Das HÖHERE-ICH stellt dabei die Verbindung zur UNSICHTBAREN WELT dar. Vielleicht haben empathische Menschen deshalb oft das Gefühl, nicht auf die Erde zu gehören?

Halten wir an dieser Stelle erst einmal fest, dass Sie als empathischer Mensch über ein NEUGEBORENEN-ICH verfügen. In der prägenden Phase werden Sie daher vermutlich ein gewisses empathisches Liebesideal entwickeln, das geprägt ist von Ehrlichkeit, Bedingungslosigkeit, Engagement und Selbstlosigkeit – Ihre Vorstellung von WAHRER LIEBE. Vielleicht werden Sie niemals aufhören, nach diesem Ideal zu suchen … Dieses Ideal orientiert sich an der Zeit ihrer Geburt, als Ihre Mutter höchstwahrscheinlich vollkommen auf Sie fixiert war und Sie selbst nichts tun mussten. Ein Teil von Ihnen hat sich die Erinnerung an diese Zeit bewahrt und hört nie mehr auf, nach der bedingungslosen Liebe zu suchen, die Sie erlebt haben.

Da habe ich schon ziemlich geschluckt

Denn ich habe tatsächlich selbst das Problem, dass meine Erwartung auf Händen getragen zu werden, meist nicht erfüllt wird. Erst durch das Lesen die Liebe empathischer Menschen ist mir das überhaupt klar geworden – und auch, wie schräg diese Erwartung eigentlich ist. Auch wenn ich eine sehr fürsorgliche Partnerin bin, wäre ich zu diesem selbstlosen Engagement selbst gar nicht bereit …

Außerdem geschah noch etwas Anderes, was ebenfalls in dieser prägenden Phase geschehen kann:

die Entwicklung von Urängsten.

Wenn Säuglinge das Gefühl haben, nicht beachtet und vergessen zu werden kann sich das zu einer Sache auf Leben und Tod entwickeln. Denn wenn niemand kommt und das Baby füttert, muss es sterben. Herr Rohleder hat es ganz wunderbar beschrieben: dass die Instinkte eines Neugeborenen permanent dafür sorgen, sicherzustellen, dass die Eltern anwesend sind. Daher liegen Babys nur da und schauen und hören. Sobald es Anzeichen dafür gibt, dass z. B. die Mutter nicht mehr verfügbar ist, stellt dies für das Kind eine Bedrohung dar. Denn das Kind kennt nur den aktuellen Augenblick und es weiß, dass es in Gefahr ist, wenn keiner da ist …

Das NEUGEBORENEN-ICH beobachtet permanent seine Bezugspersonen um herauszufinden, ob es geliebt wird und wenn es das Gefühl hat, dass es nicht so ist, kann es Urängste entwickeln. Dies sorgt zum einen dafür, dass Sie schon als ganz kleiner Mensch übermässigem Stress ausgesetzt waren (was sich auf Ihr ganzes weiteres Leben auswirken kann), zum anderen können Sie Verhaltensweisen entwickeln, die Sie selbst behindern, auf andere Menschen befremdlich wirken und nur sehr schwer wieder loszuwerden sind. Mich z. B. triggert das Gefühl, nicht beachtet zu werden, unglaublich an und kann tagelang andauernde Stressattacken in Gang setzen …

Wachsen und werden

Natürlich ist Herr Rohleder mit seinem Latein da noch längst nicht am Ende. Im Gegenteil, nach diesen wichtigen Grundlagen geht es nun um weitere Lebensphasen

  • die vergeistigte Phase
  • die überlastete Phase
  • die lebensverneindende Phase
  • die erwachende Phase
  • die erlösende Phase
  • die liebende Phase

und darum, wie Sie die Liebe in den jeweiligen Phasen erleben. Auch das ist ungemein spannend und erhellend und baut auf den Erkenntnissen auf, die Sie als Säugling erlebt haben. Warum sind empathische Menschen im hohen Grade gerade in Liebesdingen erregbar? Warum entwickeln sie Zukunftsängste? Was ist das empathische Liebesparadoxon? Warum haben viele empathische Menschen (EM) Schwierigkeiten mit Bindung und emotionaler Nähe? Warum sind empathische Menschen häufig regelrechte Kontrollfreaks? Wie kann ich eine Bindungsphobie auflösen?

Dieses Buch ist wirklich spannend

von der ersten bis zur letzten Zeile. Ich hoffe, ich konnte Sie ein bisschen neugierig machen. Ich habe ganz bewusst nur einen Aspekt des Buches so ausführlich beschrieben, in der Hoffnung, dass Ihnen das Lust auf mehr macht. Die Liebe empathischer Menschen ist meiner Meinung nach eine Anschaffung fürs Leben. Dazu kommt noch, dass Herr Rohleder seinen Schreibstil ganz entscheidend verbessert hat. Mein Lesefluss wurde nicht mehr durch inneres Aufbegehren gestört, sondern ich konnte mich ganz und gar auf den (wie ich finde äußerst wertvollen) Inhalt konzentrieren. Das Buch bekommt einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal und ich bin ganz sicher, dass ich es in absehbarer Zeit wieder zur Hand nehmen und noch einmal lesen werde. Bestimmt auch um die ein oder andere Erkenntnis zu beklopfen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Liebe gemacht? Kennen Sie die oben beschriebenen Phänomene von sich selbst? Wie immer freue ich mich über Ihre Kommentare.

Herzliche Grüße,
Ihre
Monika Richrath

Die Liebe empathischer Menschen*
Luca Rohleder
dielus edition
ISBN 978-3-9817975-8-9

22,99 EUR

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Monika Richrath
Ich bin Monika Richrath, Mentorin und Coach für EFT (Klopfakupressur). Seit 2012 schreibe ich hier sehr PERSÖNLICH über die Themen, Hochsensibilität, Gesundheit, Psychologie, EFT und (Entwicklungs)Trauma.
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