Da habe ich immer gedacht, dass ich keine Angst vor dem Altern und Alter habe. Da habe ich mich drauf ausgeruht. Dass ich eher jugendlich aussehe war bestimmt auch hilfreich dabei.
Vor kurzem bin ich aber eines besseren belehrt worden. Ich bin vor einigen Wochen
60 geworden und das macht mir total zu schaffen.
Aber nicht einmal in dem Sinne, dass ich jetzt weiß, dass vermutlich mehr als die Hälfte meines Lebens vorbei ist. Den Tod fürchte ich nach wie vor nicht, wenn überhaupt, denke ich, dass da spannende spirituelle Erfahrungen auf mich warten. Und ein Teil von mir möchte sowieso „nach Hause“ und das ist nicht auf dieser Erde … Außerdem weiß ich, dass ich mein Bestes gegeben habe, um meine Zeit hier sinnvoll zu nutzen. Es gibt also nichts zu bedauern eigentlich.
Plötzlich aber beschäftigen mich die äußerlichen Aspekte des Alterns.
Bin ich im einen Moment noch am Spiegel vorbei gegangen und habe mir gesagt „Ich bin doch nicht 60! Das muss ein Irrtum sein!“, stehe ich einen Augenblick später davor und untersuche mein Gesicht im Spiegel auf neue Falten.
Dabei setze ich nicht einmal Schönheit mit Jugend gleich. Es gibt so viele schöne alte Menschen und manche entfalten ihre Schönheit ja auch erst spät, so wie der Schauspieler Sean Connery.
Bei anderen Menschen stört es mich gar nicht, wenn sie sich im Alter verändern. Im Gegenteil, wenn ich Schauspieler:innen sehe, die in etwa mein Alter haben alt geworden sind, finde ich es gut oder beruhigend, wenn man ihnen das Alter ansieht. Das ist ja auch richtig so.
Aber ich selbst will/soll keine Falten bekommen.
Das hat u. a. auch mit eher verborgenen Auswirkungen von Entwicklungstrauma zu tun. Zu meinen belastenden Kindheitserfahrungen (die mir vielleicht jetzt erst in vollem Umfang bewusst werden) gehören die schmerzlichen Gefühl, nicht genug gesehen worden zu sein, in dem Sinne, dass mein Körper keine liebevolle Zuwendung und Aufmerksamkeit bekommen hat, die er und ich gebraucht hätten.
Ich habe überhaupt
kein Gefühl für den eigenen Körper und mich selbst entwickeln können.
Neulich sind mir alte Fotos von mir als Kind oder Teenager in die Hände gefallen. Ich hätte wirklich weinen können, als mir klar wurde, dass ich ein sehr schönes Kind war.
Zwei meiner Schwestern haben mir irgendwann mal unabhängig voneinander gesagt, dass ich am hübschesten von allen fünf Kindern gewesen sei ihrer Meinung nach. Wie bitte? Warum hat mir das früher bloß nie jemand gesagt? Vielleicht hätten manche Dinge in meinem Leben sich anders entwickelt, wenn ich das gewusst hätte, vielleicht hätte ich mehr Selbstvertrauen in meinen Körper und mein Aussehen entwickelt. Aber natürlich ist es müßig zu spekulieren, was hätte alles passieren können, wenn dies und das anders gewesen wäre. Es war ja nicht so.
Weil ich kein Gefühl für mich selbst hatte,
glaubte ich phasenweise immer wieder, dass ich total hässlich bin.
Das tut mir heute noch weh.
Zwischen 30 und 40 war ich sehr lange Zeit Single. Und sehr bedürftig leider. Ich fürchte, ich habe mich u. a. so sehr nach einer Beziehung gesehnt, weil ich bewundert werden wollte. Ich selbst war dazu ja nicht in der Lage. Das hat natürlich nicht funktioniert. Das ist nicht wirklich eine Basis für eine Beziehung und außerdem standen meine sozialen Schwierigkeiten in voller Blüte damals.
Erst in letzter Zeit habe ich mich meinem Körper angenähert und versuche, mir und meinem Körper die liebevolle Aufmerksamkeit zu geben, die ich nicht bekommen habe.
Aber zum einen ist es
wie mit dem Schnuller, der mir als Baby nicht gegeben wurde:
ich kann es nicht wirklich nachholen. Ich kann das Bedürfnis (das immer noch da ist) nur besänftigen. So ist es auch mit dem Bewundert werden. Darum sträubt sich zum anderen alles in mir gegen das äußere Altern, weil ich denke, ich sollte das doch noch bekommen haben, ich bin nicht fertig und nicht bereit und ich bekomme es jetzt möglicherweise eben auch nicht mehr, es ist zu spät …
Aber das Universum ist sowas von cool. Vor kurzem habe ich mir den Film „Meine Stunden mit Leo“ angesehen (wunderbar, empfehle ich wärmstens, ein großartiger, berührender, sehr menschlicher und mutiger Film). Emma Thompson spielt da eine ältere Frau, die zum ersten Mal in ihrem Leben sich ihrem Körper richtig zuwendet, indem sie einen Sexarbeiter bucht.
In dem Film jammert sie so über ihr Alter, dass ich selbst ganz genervt war und deutlich sehen konnte, wie sehr die Fixierung auf das Jammern und Bedauern eine Wand errichtet zwischen sich selbst und dem Leben, dem, was passiert, dem, was wichtig ist.
In einem Augenblick sieht man Emma Thompson sogar fast nackt. Da habe ich gedacht : „Worüber beschwerst du dich eigentlich?“
Die Nachricht ist angekommen.
Danke Universum.
Danke Emma Thompson.
Das fand ich sowas von mutig. Ich glaube, ich sehe mir noch mal den Film Embrace an und suche nach intensiveren Möglichkeiten, meinem Körper viel Zuwendung zu schenken. In diesem Interview verrät Emma Thompson uns, wie die sehr natürlichen Nacktaufnahmen entstanden sind, ich finde es einfach nur klasse. Das probiere ich auf jeden Fall auch.
Wie gehst du mit dem Älterwerden und Falten um?
Ich freue mich, wenn du mir schreibst.
Von Herzen,
P.S. Es funktioniert übrigens 🙂
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