Jede*r braucht eine Schutzmütze!

Jede*r braucht eine Schutzmütze!

Ich glaube, Mützen haben Ewigkeiten ein sehr stiefmütterliches Dasein unter den Kopfbedeckungen geführt. Für mich waren Mützen lange Zeit etwas, was hauptsächlich mit Kindheit verbunden war – im wesentlichen keine gute Erinnerung. Ganz frühe Erfahrungen mit Hochsensibilität waren bei mir unweigerlich mit unliebsamen Körpererfahrungen mit „Materie“ verbunden. Meistens war die Mütze kratzig, und schon deshalb schrecklich, sie wurde unter dem Kinn zugebunden und man sah damit unweigerlich affig aus … 

Erst die  „Nerds“ (wann genau das war, weiß ich nicht mehr), haben für mich die Mütze wieder interessant gemacht. (Dabei stand ich sowieso auf Kopfbedeckungen, allerdings vornehmlich solche, mit denen man eher cool aussah, wie Hüte zum Beispiel, Basecaps usw. ) Vorbei waren die eierwärmerähnlichen Zeiten. Plötzlich bekamen Mützen interessante Formen und Designs.

Dann kam ein kalter Winter und ich legte mir die erste warme schöne Mütze zu.

Mittlerweile habe ich eine ganze Kollektion …

Vor ein paar Jahren hatte ich zum ersten Mal seit langer, langer Zeit wieder Ohrenschmerzen. Das erste, was mir dazu einfiel, war, mir einen warmen Schal um den Kopf zu binden. Welch ein angenehmes Gefühl das war … Aber warum eigentlich den Schal, ich konnte es doch viel bequemer haben mit meiner Mütze …

Das war so schön.

Auch ohne Schmerzen. Eine Mütze anzuhaben, verschafft mir

ein ganz einzigartiges Gefühl von Schutz.

(Hochsensibilität bringt häufig eine gesteigerte Empfindlichkeit gegen kratzige Wolle mit sich. Daher ist es natürlich ist es sehr wichtig dabei, dass die Mütze absolut nicht auf dem Kopf kratzen darf, ein Inneres aus Fleece oder Baumwolle ist auf jeden Fall ratsam.)

Vielleicht schwingt dabei doch noch ein wenig von der Energie des sich Kümmerns von seiten der Eltern mit, die um das Wohlergehen ihres Sprößlings besorgt waren. Jetzt kümmere ich mich selbst um mich. Mit einer Mütze auf dem Kopf fühle ich mich behütet und geschützt, irgendwie in Sicherheit, irgendwie gefeit gegen den Unbill der Welt, besser gewappnet, mir kommt es dann so vor, als käme ich besser mit dem Stress in meinem Leben zurecht.

Ganz viele hochsensible Menschen haben auch ein echtes Problem mit Grenzen. Viele wissen oder erleben oft nicht, wo eigentlich der eigene Körper aufhört. Oder spüren zu viel von anderen Menschen. Da kann es super angenehm sein, die eigenen Körpergrenzen direkt zu erleben. Zu spüren:

hier hört mein Körper auf.

Alles, was Ihren Körper berührt, kann dabei helfen. Ich fühle mich z. B. mittlerweile nur wohl beim Einschlafen, wenn ich ein Kissen vor mir und eins im Rücken habe, weil ich so ein genaueres Gefühl für meinen Körper bekomme. Wenn ich die Mütze aufhabe, ist es ähnlich. Die Mütze verleiht meinem Kopf eine Grenze und das ist äußerst angenehm.

Im vergangenen Jahr hatte ich angefangen, mich mehr mit dem Thema Trauma zu beschäftigen. Über eins sind sich alle Trauma-Expert*innen einig: zur Überwindung von Trauma gehört unweigerlich auch

die Zurückeroberung der Verbindung mit dem eigenen Körper.

Dabei kann auch eine so simple Sache helfen, wie eine Mütze zu tragen – obwohl ich Ihnen hier natürlich nicht weismachen möchte, dass Sie durch das Tragen einer Mütze ein Trauma überwinden können. Im wesentlichen geht es darum, dem Körper angenehme Empfindungen zu verschaffen.

Meine Mütze bereitet mir jedenfalls ein unglaublich angenehmes körperliches Wohlgefühl. Auch durch die Wärme, die dadurch in meinem Körper entsteht.  Da ich immer Untertemperatur habe, weiß ich das sehr zu schätzen.

Kürzlich bin ich sogar noch einen Schritt weiter gegangen. Obwohl keine dringende Notwendigkeit dafür bestand, habe ich einfach einen Nachmittag lang meine Mütze nicht ausgezogen, sondern auch noch einen weichen Schal dazu getragen, ebenso wie Handschuhe ohne Finger. Einfach nur, weil es sich so wunderbar angenehm kuschelig anfühlte. Vielleicht sollte ich mir auch noch ein paar Pulswärmer anschaffen 😉

Der Begriff „Schutzmütze“ ist mir erst heute eingefallen. Ich bin ziemlich darüber begeistert. Für mich ist die Schutzmütze etwas wie

eine Art „Tarnkappe“,

nur, dass ich dabei nicht unsichtbar werde, sondern dass die Mütze für mich andere gute Eigenschaften aufweist.

Wie sieht es mit Ihnen aus? Haben Sie auch eine Form von „Schutzbekleidung“? Wie sieht sie aus und wie fühlen Sie sich darin?

Wie immer freue ich mich, wenn Sie Ihre Erfahrungen mit uns teilen.

Von Herzen, Ihre

Monika Richrath

Image by Pezibear from Pixabay 

Kein Gefühl für Grenzen?

Kein Gefühl für Grenzen?

Ich vermute (glaube eigentlich eher), dass hochsensible Menschen eine ganz besondere Beziehung zu Grenzen haben. Mir fallen da vor allen Dingen drei verschiedene Aspekte ein:

 

Ein Aspekt: Das kennen bestimmt fast alle Hochsensiblen sehr gut: das Gefühl,

dass andere permanent unsere Grenzen überschreiten.

Dies kommt praktisch andauernd vor. Im Supermarkt, wenn die Person hinter uns zu sehr auf die Pelle rückt, wenn andere ihren emotionalen Müll bei uns abladen, wenn uns dauernd neue Arbeit aufgedrängt wird, wenn andere uns unerfüllbare Aufgaben aufbürden, wohl wissend, dass sie unerfüllbar sind, wenn niemand uns Ruhe gönnen will, wenn unsere Kinder dauernd an uns zerren, damit wir mit ihnen spielen usw.

Manchmal kann sich das ganze Leben überhaupt wie eine einzige riesige Grenzüberschreitung anfühlen. Dann sind wir offenbar schon an jenem besonderen Punkt angekommen, an dem sich die Stressspirale immer weiter nach oben schraubt und uns einfach alles nervt. Dann erleben wir uns häufig als besonders ohnmächtig, weil wir offenbar nichts tun können, um diesen Zustand zu ändern (Gibt es aber doch: Wenn Sie an diesem Punkt sind, könnten Sie es mal mit der Klopfakupressur probieren, um wieder herunterzukommen auf ein normales Stresslevel).

Ein weiterer Aspekt:

Wir selbst können uns nicht abgrenzen.

Sehr, sehr, sehr viele hochsensible Menschen haben ein echtes Problem damit, sich abzugrenzen.  Es vergeht quasi kein Coaching, ohne dass dieser Punkt auf den Tisch kommt.

Die Ursachen sind äußerst vielfältig

Wenn ich von mir selbst ausgehe, kann ich sagen, dass es den Großteil meines Lebens (ich meine, mehr als 2/3) mir überhaupt nicht möglich war, NEIN auch nur zu denken, geschweige denn zu sagen.

Ansprüche und Anforderungen anderer abzulehnen war einfach ein Ding der Unmöglichkeit.

Denn ich dachte: wenn ich die Anforderungen der anderen nicht erfülle, werde ich nicht geliebt. Dann würde der Berg der ohnehin schon empfundenen Ablehnung der Umwelt (von der ich heute übrigens gar nicht mehr so recht weiß, ob er tatsächlich existierte) noch weiter anwachsen und das erschien mir unerträglich.

Im letzten Jahr habe ich mich sehr intensiv mit meiner Vergangenheit beschäftigt

Früher habe ich immer gedacht, ein Geheimnis müsse meine Geburt umranken, ein tragisches Ereignis, eine grandiose Erklärung für das sehr deutliche Gefühl, nicht wirklich gewollt gewesen zu sein. Was ich herausgefunden habe: es gibt kein solches tragisches Ereignis. Nur tragischen Alltag. Und tragische Überforderung. Während mein Vater verzweifelt versuchte, mit dem Leben zurecht zu kommen und dies nur schaffte, indem er von einem Nervenklinikaufenthalt zum nächsten reiste, kämpfte meine sehr junge Mutter in dieser Zeit alleine mit dem stressigen Alltag einer alleinerziehenden Mutter zweier kleiner Mädchen. Und dann noch ich im Anmarsch. Ich kann es ihr heute nicht verdenken, dass sie sich nicht wirklich auf mich gefreut hat, natürlich nicht. Das Gefühl aber bleibt, scheint irgendwie in mir eingefroren zu sein.

Ich habe übrigens schon verschiedene Versuche unternommen, dieses Gefühl aufzulösen, den großen Durchbruch hat es aber bislang noch nicht gegeben.

Für mich ist jedenfalls dieses Grundgefühl nicht wirklich willkommen zu sein, der Motor gewesen, nicht NEIN sagen zu können.

Ich habe immer alles gemacht, was man mir an- und aufgetragen hat und ich habe niemals hinterfragt, warum ich das eigentlich mache. Sehr lange Zeit jedenfalls nicht. Für meine Arbeitgeber war das immer äußerst praktisch. Ich habe für 3 gearbeitet (in einem Fall wurde tatsächlich einem Mitarbeiter gekündigt, damit ich seine Arbeit mitmache!) Kein Wunder, dass ich so mehrere Burnouts erwirtschaftet habe.

Dazu kam auf jeden Fall auch noch das Gefühl, nicht und nie in Ordnung zu sein. Heute verbinde ich dies vor allen Dingen mit der Hochsensibilität, aber es gibt natürlich auch noch andere, familiär bedingte Konstellationen und Aspekte.

Wichtig ist dabei vor allen Dingen eins: Wenn wir nicht lernen, uns abzugrenzen

verhalten wir uns selbst anderen gegenüber grenzüberschreitend,

natürlich nicht immer, aber häufig. Es hängt eben davon ab, wie gut wir es gelernt haben, uns auf gesunde Art und Weise abzugrenzen. Wenn nicht, können die Formen der Grenzüberschreitungen die unterschiedlichsten Formen annehmen:

indem wir über andere bestimmen oder versuchen sie zu kontrollieren oder auf andere Weise zu manipulieren, indem wir überhaupt nicht wahrnehmen können, wie es sich für andere anfühlen mag, wenn wir uns ihnen gegenüber so und so verhalten (trotz einer grundsätzlichen Empathiefähigkeit). Manchmal ist das eigene Leid oder die eigene Bedürftigkeit eben größer …

Meine eigene sehr schräge Erfahrung ist, dass Therapeut*innen sich besonders häufig grenzüberschreitend verhalten, aber vielleicht ist dies eigentlich verständlich. Ich habe irgendwo mal gehört oder gelesen, dass Therapeut*innen häufig Therapeut*in werden, weil sie eigentlich selbst Hilfe benötigen. Mir erscheint das äußerst logisch.

Abgrenzen kann und muss man üben.

Immer und andauernd. So wie jetzt! Eigentlich habe ich heute Abend noch sehr viel zu tun und zu erledigen. Aber trotzdem wollte ich Sie am Sonntag nicht ohne einen Blogbeitrag lassen (so im Laufe der Zeit entwickele ich doch eine Art Blogger-Ehrgeiz), von daher grenze ich mich mal definitiv ab gegen meine eigenen Ansprüche. Darum bekommen Sie diese Woche nur einen kurzen Artikel …

Wie gut können Sie sich abgrenzen? Wie immer freue ich mich über Ihre Kommentare.

Herzliche Grüße,
Ihre
Monika Richrath

Bild von Thomas B. auf Pixabay 

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