Entwicklungstrauma in Organisationen

Entwicklungstrauma in Organisationen

Roger Müller habe ich ganz unvermutet bei linkedin getroffen, als ich nach Menschen suchte, die sich mit dem Thema Entwicklungstrauma beschäftigen. Das Stichwort dazu war:

Entwicklungstrauma in Organisationen.

Ich fand das sofort unglaublich spannend und ich freue mich riesig, dass Roger Lust auf ein Gespräch mit mir hatte.

Roger, wie bist du dazu gekommen, dich mit diesem Thema auseinander zu setzen?

Das war ein Weg mit langem Anlauf. Letztlich hat das Thema viel mit mir selbst zu tun, es ist also nicht nur berufliches Interesse, sondern auch privates.

In meinem beruflichen Lebensweg bin ich immer wieder an gewisse Grenzen gestoßen.

Mit der Zeit konnte ich gewisse Muster erkennen. Besonders intensiv war mein Zeit als Führungskraft eines Entwicklungsteams. Da ich mich seit Jahren sehr intensiv mit Organisationen, der Kommunikation und den zugrundeliegenden Dynamiken beschäftige, hat sich bei mir die Vermutung herausgebildet, dass ich an all dem meinen Anteil habe und eben nicht nur für die positiven Aspekte verantwortlich bin.

Mit dem Entschluss meiner Selbstständigkeit war mir klar, dass ich mit den zugrundeliegenden Themen stark in Berührung kommen werde, denn nun hatte ich nicht mehr die Möglichkeit, andere für irgendwelche Probleme verantwortlich zu machen.

Auf der Suche nach jemanden, “die/der mich so richtig auseinandernimmt” bin ich dann schließlich auf eine Coach gestoßen, die mich

mit dem Thema Entwicklungs-/Beziehungstrauma in

Verbindung gebracht hat. Wenn die/der Schüler:in bereit ist, kommt die/der Lehrer:in. Diese Weisheit begleitet mich schon seit vielen Jahren.

Das ist eine sehr schöne Weisheit! Roger, wie definierst du Entwicklungstrauma für dich?

Allgemein entstehen aus meiner Sicht Traumata,

wenn grundsätzliche und existenzielle Bedürfnisse von uns

nicht erfüllt werden (können) und wir dadurch solche schmerzlichen Erfahrungen machen, die wir mit unseren vorhandenen Mitteln und Strategien nicht bewältigen können.

Der Augenöffner für mich bestand darin zu erkennen, dass dies nicht erst bei “klassischen” Gewalterfahrungen der Fall ist. Elementare Bedürfnisse bei Kindern sind neben physischer Sicherheit und einer allgemeinen Grundversorgung eben auch (körperliche) Nähe, und das Gegenstück, die Autonomie. Kinder sind also von Beginn an Menschen mit einer eigenen Würde und somit wertvoll, unabhängig davon, ob sie etwas leisten. Leider erfüllen Kinder aber viel zu oft einen – unbewussten – Zweck, was Eltern häufig schwerer macht, den Menschen in den Kindern zu sehen, der sie wirklich sind.

Hinzu kommt, dass Kinder erstmal über

keine oder wenig Möglichkeiten der (Selbst-)Regulation verfügen

und auch diese Kompetenz erst mit Hilfe von außen erlernen müssen.

Gibt es in den genannten Bereichen grundsätzliche und wiederholte Defizite, entstehen Entwicklungstraumata.

Gleichzeitig denke ich, dass diese Erfahrungen Teil unsere Menschseins sind und unser Zusammenleben viel zu komplex, als dass sich solche Themen komplett ausschließen ließen. Ich als Vater und wir als Eltern haben da auch nicht gerade geglänzt. Wir sind immer noch im Aufarbeitungsprozess.

Ich denke auch, dass diese Erfahrungen teilweise einfach nicht vermeidbar sind, denn das, was wir durch unsere Eltern erfahren haben,

liegt ja an dem, was diese durch ihre Eltern erfahren haben …

Außerdem bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass in “unserer” Generation (so ganz genau kann ich das nicht definieren), die meisten Menschen in ihrer vollen Bindungsfähigkeit beeinträchtigt sind, dadurch, dass unsere Eltern (vielleicht auch noch Großeltern) den zweiten Weltkrieg als Kinder oder Heranwachsende erlebt – und meistens nicht verarbeitet haben. Sie waren einfach ihr Leben lang viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich wirklich um uns zu kümmern. 

Meine Erfahrung ist so, dass, spätestens wenn die Eltern “alt” werden,

die Fixierung auf die eigenen Bedürfnisse und Belange

ganz deutlich in den Vordergrund treten …

Dein Hinweis darauf, dass das Verständnis dafür fehlt, wie intensiv die Auswirkungen von Ereignissen auf Kinder sind, finde ich sehr wichtig. Ich habe jetzt selbst schon mehrere Stunden mit meiner Coach damit verbracht, Schockzustände aus meinen ersten Lebensmonaten zu klopfen. Der Hintergrund war jeweils, dass ich in meinem Kinderwagen in ein Zimmer gefahren und abgestellt wurde, indem sonst niemand war …

Was hast du mit dem Aufarbeitungsprozess gemeint? Du mit deiner Frau? Oder du mit deinem Kind/deinen Kindern?

Wie du oben erwähnst, werden gewisse Erfahrungen, Sichtweisen und auch Leiden

von Generation an Generation weitergegeben.

Für mich sind diese systemischen Zusammenhänge die spannendsten Prozesse, die ich kenne. Auch sind Kinder häufig die Symptomträger der Eltern. Mittlerweile kann ich beide Thesen aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen sehr gut nachvollziehen. (Vor einigen Jahren hielt ich das noch noch für kompletten Humbug.)

Der stärkste Hebel, der zudem komplett in meiner Hand ist, ist also zuerst meine eigenen Themen anzugehen und somit mehrere Probleme auf einmal zu lösen.

Roger Müller beschreibt die Auswirkung von Entwicklungstrauma auf OrganisationenIndem ich lerne, mich in meiner Ganzheit anzunehmen,

kann ich auch meine Kinder (meine Frau, alle Menschen) besser annehmen, wie sie wirklich sind. Ich werde persönlich gesünder und glücklicher. Zudem hat sich mein Bewusstsein deutlich vertieft bzw. erweitert. Und auf unsere Beziehung als Ehe-Partner wirkt es sich auch positiv aus.

Darüber hinaus haben wir aber auch schon ganzheitlicher gearbeitet, indem meine Frau und ich zusammen in einen Prozess eingestiegen sind, um primär unsere Tochter (wir haben noch einen Sohn) von unseren unbewussten und unaufgearbeiteten Themen zu “befreien”.

Das klingt unglaublich spannend, Roger …da türmen sich gleich ganze Berge von Fragen in mir auf. Vielleicht führen die jetzt aber auch zu weit … Auf jeden Fall finde ich das sehr bewundernswert. Nur eines wüsste ich gerne: könnt ihr einen direkten Effekt auf eure Tochter bemerken?

Ja, bei ihr und in der gesamten Familie. Und mit unserer veränderten Haltung und der gestiegenen Wahrnehmung für die Zusammenhänge und Dynamiken, nehmen wir regelmäßig Änderungen hervor, die dann überwiegend auch zu positiven Effekten führen.

Das klingt wunderbar Roger! Von einer solchen Vorgehensweise könnte sicher jede Familie profitieren!

Wenn wir uns unserem

Ausgangsthema “Entwicklungstrauma in Organisationen”

wieder zuwenden: Ich könnte mir vorstellen, dass nicht alle Leser*innen sofort etwas damit anfangen können – obwohl das ja mehr oder weniger fast alle Menschen betrifft.  Letzten Endes ist es ja so, dass es diese ganz strikte Trennung von Berufs- und Privatleben überhaupt nicht gibt. Weil wir das, was wir als Kinder lernen, ja mitnehmen in das Arbeitsleben.

Vielleicht wäre es von daher ganz gut, wenn wir mal ein paar praktische Beispiele dafür geben, um zu zeigen, inwiefern Entwicklungstrauma z. B. in einem Unternehmen eine Rolle spielen kann. Möchtest du damit anfangen oder soll ich das machen? 

Ich gebe gerne ein Beispiel. In meiner letzten Firma wurde ich von einem der Geschäftsführer kurz nach meinem Eintritt mit der Aussage von ihm selbst konfrontiert,

er sei Narzisst.

Immerhin war er so selbstreflektiert, dies zu erkennen, aber die Auswirkungen waren natürlich trotzdem da. In diesem Falle ging von ihm ein nie genug, nicht schnell genug und nicht gut genug, aus. Das Team, für das ich verantwortlich war (Entwicklung), stand in gewisser Konkurrenz zu seiner Abteilung (Forschung). Eigentlich wäre es für die Firma von Vorteil gewesen, hier eine gute Verzahnung anzustreben, aber diese Initiativen wurden regelmäßig durch die Unternehmensführung konterkariert. Durch seinen Narzissmus war es bspw. unmöglich, die Leistung meines Teams anzuerkennen. So stand sein Streben nach eigenem Perfektionismus, gepaart mit der Unfähigkeit, Leistung von anderen anzuerkennen, den theoretischen Möglichkeiten des Unternehmens entgegen. Insbesondere für die Menschen in den beteiligten Systemen ist das natürlich eine riesige Herausforderung.

Narzissmus ist eine Ausprägung von mangelnder Empathie in der Kindheit und somit

Folge eines Bindungs-/Entwicklungstraumas.

Das ist ein supergutes Beispiel, Roger. Ich glaube, dass die Auswirkungen von Entwicklungstrauma in beruflichen Strukturen noch viel krasser sind als im Privatleben, weil es dort wegen der hierarchischen Strukturen noch viel schwieriger ist sich zur Wehr zu setzen. Gerade, wenn man solche Menschen in gehobenen Positionen zum/zur Vorgesetzten hat. Im Privatleben hat man (zumindest theoretisch) eher die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden, von einer Person Abstand zu nehmen. Im beruflichen Kontext ist das wegen der finanziellen Abhängigkeit eher nicht so leicht. (Ich kenne viele Menschen, die

zum Teil jahrelang unter Mobbing durch Vorgesetzte vor sich hin leiden …)

Oder wie siehst du das?

Sich mit seinen eigenen Themen – als leichtere Umschreibung des Worte Traumas – zu beschäftigen, diese zu erkennen, anzuschauen (wertfrei) und sich dann auf den, nicht immer ganz leichten, Weg zu machen, diese zu integrieren oder loszulassen, ist gleichzeitig die Chance ganz zu werden, sich mit seinem Selbst zu verbinden und damit frei und selbstverantwortlich seine ganze Kraft als Mensch zu leben. In dieser Energie relativiert sich, zumindest ein Stück, die Abhängigkeit vom Arbeitgeber. Alte Prägungen, innere Muster, erlernte Kernüberzeugungen fallen weg und anstelle der Befolgung fester, übernommener Denkstrukturen, tritt eine Überzeugung und eine freie Bekenntnis zu einem gewünschten Verhalten. Dann muss ich nicht mehr stark sein, ich kann und darf auch mal schwach sein, aber ich entscheide aus einer Grundüberzeugung heraus künftig stark zu sein. Dies tritt nach und nach für alle einseitigen Muster ein. Welch freies und gleichzeitig liebevolles wie mitfühlendes Leben möglich ist. Darüber hinaus lässt der Affekt über das Verhalten anderer Menschen deutlich nach. Beispiel Mobbing: dieses Wort ist auch nur

eine Konstruktion für das Zusammenspiel zweier Verletzungen.

Sobald man die eigene Verletzung erkennt, entzieht das dem Spiel die Energie bzw. leitet diese um.

Sollte also eine Abhängigkeit vorhanden sein, wird man neue Möglichkeiten und Energie entdecken, diese über kurz oder lang aufzulösen. Privat wie beruflich.

Ja, ich finde es z. B. total bemerkenswert, wie sehr sich das Leben verändert, wenn man sich bewusst ist, dass es Trigger gibt, wie Trigger funktionieren, was Trigger mit mir machen und auch mit anderen. Dadurch fällt so eine Art “Feindbild” einfach weg, was ich früher glaube ich, häufig hatte. Dadurch entsteht sehr viel mehr Liebe, Empathie und Annahme für für den/die andereN. Er/Sie ist dann nicht mehr einfach nur doof, sondern agiert nach seiner inneren Landkarte. Das macht das Aufeinander-zu-gehen-auch viel einfacher.

Roger, das In-Kontakt-Kommen mit meiner eigenen Traumatisierung kommt mir letzten Endes in meiner Arbeit mit hochsensiblen Menschen zugute. Bzw., es war eigentlich ein ganz natürlicher Prozess, mich in meiner Arbeit mehr in Richtung Entwicklungstrauma zu orientieren. Zumal es

mittlerweile hochsensible Coaches wie Sand am Meer

gibt. Wie ist es mit dir?

Ich finde deine Zusammenfassung treffend und gut gelungen.

Was mich fasziniert und (im positiven Sinne) antreibt, ist Menschen und Gemeinschaften wachsen zu sehen, sie in ihre Kraft zu bringen und ihr Potenzial zu entfalten. Ich liebe es, mit Teams und Organisationen zu arbeiten, habe aber mittlerweile die Arbeit mit einzelnen Menschen auch für mich entdeckt. Wie wir gesehen haben, ist dies in Organisationen eine Notwendigkeit. Deshalb verbinden wir bei rethinkyour.org auch Organisations- und Personalentwicklung, denn nach unserer Erfahrung und Überzeugung benötigt es beides, um die Ziele der Unternehmen wirklich zu erreichen.

Neben meiner systemischen Ausbildung investiere ich seit längerem viel Zeit und Energie in die Mittel, die mir selbst am effektivsten geholfen haben: Integrale Organisations- und Strukturaufstellungen, Systemisch-Spirituelle Aufstellungen und Systemische SELBST-Integration. Damit kann ich nicht nur Unternehmen wirkungsvoll dabei unterstützen, unbewusste Diskrepanzen auf allen Organisationsebenen zu entwirren, sondern auch mit Menschen tief arbeiten, um ihre Verstrickungen zu lösen – wenn diese das möchten. Dabei genieße ich die Bandbreite und Tiefe meiner Arbeit gleichermaßen.

Lieber Roger, da habe ich doch noch eine Frage. Gehst du mit deinem Unternehmen denn aktiv mit diesem Ansatz auch nach außen oder fließt das eher so in deine Arbeit ein?

Roger Müller hat Erfahrungen mit EntwicklungstraumaNoch ist es nicht soweit,

dass wir dieses Denken promoten oder aktiv in die Unternehmen bringen. Es ist immer Teil des integralen Ansatzes, der maßgeblich für unsere Begleitung ist.

Während ich darüber nachdenke, frage ich mich aber, ob wir da nicht zu vorsichtig sind. Was wir aktiv angehen, ist das Thema Emotionale Intelligenz, um in einem ersten Schritt die Bedeutung von Gefühlen und Bedürfnissen und die Möglichkeiten, damit aktiv umzugehen, zu verbreiten. Dies ist ein wichtiges Standbein für die Öffnung hin zu einem neuen Bewusstsein, welches dann auch zu den Themen Trauma führen kann. Die Thematik kommt jedoch häufig implizit vor, als überlagerte Ebene in einer Aufstellung. Dies dann weiter zu bearbeiten, bedarf aber immer einer neuen Vereinbarung mit den Klient:innen. Insgesamt ist diese Tiefe aber noch so neu, dass

meistens noch ein Bogen von unseren Kunden darum gemacht wird.

Das ist schade. Das könnte so viele Konflikte revolutionieren. Denke einfach nur mal daran, was an Konflikten alles zu vermeiden wäre, wenn man über Trigger Bescheid wüsste! Das wäre bestimmt auch eine Art Alleinstellungsmerkmal in der Organisationsentwicklung … Vielleicht wäre es ja eine Idee, Trauma-Wissen über ein Hintertürchen in die Geschäftswelt einzuschleusen …

Was bedeutet es in deiner Arbeit denn, wenn klar wird, dass ein Konflikt eben auf Entwicklungs- oder Bindungstrauma beruht? Sprecht ihr das dann bei den Betreffenden an?

Diese Faszination für das, was in Organisationen möglich wäre teilen wir! Wir wollen auf alle Fälle an dem Thema dran bleiben und das Thema weiter verbreiten. Wir haben eine Meetup Gruppe zum Thema Emotionale Intelligenz gegründet und werden das Trauma-Bewusstsein hier mit einbringen – außerhalb von den Organisationen also. Die Gruppe ist allerdings noch neu.

Zu einem richtigen “Fall” bei unseren Kunden ist es bisher noch nicht gekommen. Wir kommen sehr selten in die Gegend dieser Tiefe. Wenn wir in die Richtung gehen, bleibt es dann bisher bei unserer Vermutung bzw. der

Kenntnisnahme und bei den üblichen Ausgleichsstrategien,

die in Unternehmen allgegenwärtig sind. Wie heißt es so schön: “das Thema ist dran, wenn es dran ist.”

Im Einzelcoaching ist das aber anders, da geht es viel tiefer.

Roger, das klingt ziemlich ernüchternd. Was sind denn das für Ausgleichsstrategien ? Ehrlich gesagt, habe ich nicht so recht eine Vorstellung von Organisationsentwicklungsarbeit*.

Die Liste der Ausgleichsstrategien ist lang. Ein Beispiel: eine, vergleichsweise reflektierte Führungskraft, mit der ich im Coaching war, wollte nur Unterstützung, damit das Team die Leistung erbringt, die der Führungskraft dann den “Aufstieg” ermöglicht. Dem Herren war bewusst, dass er Anerkennung braucht und wollte sie sich darüber holen. Dieses Verhalten macht aber natürlich nicht satt.

Die Gier nach Anerkennung als Ausgleich für einen fehlenden Selbstwert

wird niemals befriedigt. Ein Grundproblem unserer Gesellschaft. 

Weitere Ausgleichsstrategien im Business sind: festes Weltbild, Macht- und Leistungsstreben, Kontrolle und Gehorsam, Mobbing. Im Privatbereich kommen hinzu: Konsum, Alkohol, Extremsport, Depression, Burnout, Ablenkung durch Computerspielen und jede Menge körperliche Symptome, wie Kopf- und Bauchschmerzen, Verspannungen, etc.. Geschluckte Wut, resultierend aus Erfahrungen der Ohnmacht und Hilflosigkeit kann sich sowohl in Gewalt gegen sich selbst, als auch in Gewalt gegen andere, resultieren. Virginia Satir und Psychiater wie Arno Gruen gehen davon aus, dass praktisch

alle Probleme aus einem geringen Selbstwert entstehen.

Dies mag erstmal deprimierend klingen, aber es zeigt auch auf, wo Handlungsbedarf besteht. Das Leben aus einem natürlichen, echten Selbstwert heraus, ist wundervoll.

Ok,das klingt nach einem sehr guten Schlusswort, lieber Roger!

Generell über mich:

Arbeitsschwerpunkte: Organisationsgestaltung, Mitarbeiterentwicklung, systemisches Coaching, integrale Denkmodelle, Agilisierung.

Bei rethinkyour.org fokussieren wir uns auf die Entwicklung von (agilen) Organisationen und die dafür notwendigen Eigenschaften: High-Performing Teams, eine Team-of-Teams Organisation, Innovation, Kundenzentrierung und Anpassungsfähigkeit. „Potenzialentfaltung“ lautet unsere Mission – sowohl in Bezug auf die Menschen, als auch auf das gesamte Unternehmen.

www.trustwrx.org

roger@rethinkyour.org

https://www.linkedin.com/in/team-coaching/

 

*Organisationsentwicklung: z.B. Team-Entwicklung; generell das Lösen von Organisationsblockaden & Konflikten; Hinführen zu fehlenden oder neuen Eigenschaften, die die Organisation für das langfristige Überleben braucht, wie z. B. Anpassungsfähigkeit; weitere Beispiele sind: Kommunikationsfluss über die bestehenden Unternehmensebenen hinweg verbessern, Entscheidungswege verkürzen, Hierarchien abbauen und durch Selbstorganisationsformen ersetzen; am meisten verbreitet sind die Hypethemen Agilität, Selbstorganisation und Lernende Organisationen.

Was ist ein Entwicklungstrauma?

Was ist ein Entwicklungstrauma?

Wie hängt Hochsensibilität mit Entwicklungstrauma zusammen? Wenn wir uns damit beschäftigen, was ein Entwicklungstrauma ist, müssen wir uns auch damit beschäftigen, was Hochsensibilität ist. Wenn heute jemand über Hochsensibilität spricht, ist nämlich unklar, was damit gemeint ist. Jeder verwendet diesen Begriff anders. Deswegen möchte ich hier noch einmal kurz erläutern, was ich überhaupt meine,

wenn ich von Hochsensibilität spreche.

Jüngere Forschungen weisen darauf hin, dass Sensitivität ein angeborenes Merkmal ist, wie Intelligenz. Und wie bei Intelligenz sind die Ausprägungen in den Menschen unterschiedlich. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass 31 % aller Menschen hochsensitiv sind, d. h. einfach mehr wahrnehmen als andere. (Mir gefällt der Begriff der Neurosensitivität in diesem Zusammenhang ausnehmend gut.)

Man weiß heute, dass sich

unser Gehirn entsprechend den Erfahrungen unserer Kindheit formt.

Das bedeutet, dass sich belastende Erfahrungen in der Kindheit direkt auf unser Gehirn auswirken. Und so kommt es, dass Kinder, die unter schwierigen Umständen groß werden, viele Belastungen und wenig Unterstützung erfahren, eine sog. Vulnerabilität entwickeln können, d. h. sie entwickeln Ängste, ihnen fehlt VERTRAUEN in ihre Eltern, in andere und in sich selbst. Der langfristige Stress führt dann zu einer allgemeinen Stressanfälligkeit. Das ist es, was meiner Meinung nach die Hochsensibilität ausmacht. Jedenfalls sind das die Menschen, die sich von mir und meiner Arbeit angezogen fühlen.

Erst in jüngerer Zeit kommt das Thema „Trauma“ allmählich in der Öffentlichkeit an. Allerdings verstehen die meisten darunter nach wie vor eher ein Schocktrauma, also ein einmaliges Ereignis, wie z. B. einen Unfall. Das ist aber nur ein WINZIGer Ausschnitt aus der Palette möglicher Arten von Traumatisierungen.

Denn das, was wirklich schlimm und krass ist und sich so auf die Gesellschaft als ganzes auswirkt, ist das

sog. Entwicklungstrauma.

Es ist in der Öffentlichkeit leider überhaupt nicht präsent. (Obwohl dadurch letzten Endes unendlich viele Kosten für die Gemeinschaft verursacht werden!)

Unter Entwicklungstrauma versteht man die Beeinträchtigung der biologischen und emotionalen Entwicklung eines Kindes. Eine natürliche Entwicklung unterstützt ein Kind darin, Resilienz und andere Fähigkeiten zu entwickeln, die ihm helfen, im Leben zurecht zu kommen. Zum Beispiel Selbstliebe, Selbstachtung, Zuversicht und SelbstVERTRAUEN. Wie man sich selbst beruhigt gehört auch dazu.

Vielleicht ahnst du ja schon, worauf ich hinaus will …

Den meisten hochsensiblen Menschen fällt Letzteres schwer (sofern sie nicht als erwachsene Menschen eine Technik zur Selbstberuhigung gelernt haben). Weil sie Selbstberuhigung als Kleinkind nicht von ihren Eltern lernen konnten. Weil ihre Eltern selbst nicht wussten, wie man sich selbst beruhigt und es infolgedessen auch nicht weitergeben konnten.

hochsensible Menschen erfahren häufig EinsamkeitEin Entwicklungstrauma bedeutet, unter sehr schwierigen Bedingungen aufzuwachsen, vielleicht die ganze Kindheit hindurch mit belastenden Situationen zurechtkommen zu müssen, die, jede für sich genommen, schon schlimm genug ist.

Dazu gehören z. B. (mehr darüber finden Sie in dem Blogartikel 10 belastende Kindheitserfahrungen)

  1. ein oder beide Elternteile sind süchtig
  2. verbale Angriffe
  3. emotionaler Missbrauch
  4. Vernachlässigung
  5. Gewalt
  6. Verlassenwerden
  7. Bindungsabbrüche
  8. Geschwister Trauma
  9. Armut
  10. ein oder beide Elternteile sind psychisch krank.

Manchmal kommen auch mehrere dieser Belastungen zusammen – ich habe mindestens fünf von dieser Liste.

Für jede dieser Trauma Situationen entwickeln wir bestimmte Überlebensstrategien. Aus jeder dieser Situationen leiten wir

bestimmte Lernerfahrungen

ab. Wir speichern sie in Form von Glaubenssätzen. Wenn wir z. B. Eltern haben, die cholerisch sind, können die Auswirkungen sein, dass wir uns wahrscheinlich vor Aggressivität überhaupt fürchten und unterdrücken unsere eigenen aggressiven Impulse. Langfristig werden wir daraus eine Unfähigkeit entwickeln, Wut zu spüren. Und das ist sehr fatal, denn dies hat auch auch ganz viel mit der Fähigkeit zu tun, anderen Menschen unsere Grenzen aufzuzeigen. Kein Wunder, dass Schwierigkeiten damit, Grenzen zu setzen in der Hochsensibilität fast immer eine Rolle spielen …

Auch unsere Bindungen

werden durch Entwicklungstrauma beeinträchtigt.

Ein Entwicklungstrauma ist immer auch ein Bindungstrauma. Vor allen Dingen unsere Bindungen an unsere erwachsenen Bezugspersonen. Denn als Kinder lernen wir durch Nachahmung und durch ihr Verhalten.  Haben wir z. B. in einer Situation Angst und werden getröstet, lernen wir, dass jemand für uns da ist, der uns hilft, dass es gut ist, anderen unsere Gefühle zu zeigen. Vielleicht lernen wir auch, dass das, weswegen wir uns eigentlich gefürchtet haben, nicht so schlimm ist.

Werden wir als Kinder jedoch nicht getröstet, bleiben wir auf unseren Angstgefühlen und Stresshormonen sitzen. Wir lernen, dass wir keine Hilfe bekommen – und können auch eine Angst entwickeln, keine Hilfe zu bekommen. Und weil Kinder einerseits bis zu einem bestimmten Alter immer alles auf sich selbst beziehen müssen und andererseits Erklärungen brauchen und wollen,

könnten wir daraus innere Glaubenssätze entwickeln

wie:

  • ich bin nicht wichtig
  • ich bin nicht liebenswert
  • ich habe es nicht verdient, dass man mir hilft
  • ich bin ALLEIN
  • ich kann niemandem vertrauen
  • ich fühle mich in Beziehung nicht sicher

usw.

Es ist natürlich noch eine Steigerung dieser Situation denkbar: Dass man für seine Angst verspottet und lächerlich gemacht wird. Ich bin sicher, dass du dir das sehr gut vorstellen kannst, bzw. vielleicht auch schon selbst erlebt hast.

In der letzten Zeit habe ich

mich sehr eingehend mit Bindungsmustern beschäftigt,

bin aber – was Hochsensibilität angeht – auf keinen grünen Zweig gekommen.

Man unterscheidet Bindungsmuster in sichere Bindung, vermeidende Bindungen, unsicher-ambivalente  und desorganisierte Bindungen. Die desorganisierte Bindung ist besonders „interessant“ im Zusammenhang mit Trauma und Partnerschaft (letztere bleibt nie unberührt durch ein Bindungstrauma).

Ich konnte durch meine Artikelserie Trauma in Liebesbeziehungen für mich selbst AUFDECKEN, dass die Beziehung zu meinen Eltern desorganisiert war. Das war ein Schock. Desorganisiert bedeutet:  die Bindung ist total chaotisch, man weiß nie, was kommt, man kann nichts erwarten und häufig gibt es auch ein Angstelement, weil die entsprechende Person sich PLÖTZLICH so verhält, dass man sich bedroht fühlt. Dann hat man Angst vor der Person, die man liebt oder lieben sollte und die einen selbst auch lieben sollte …

Wenn ich mir aber ansehe,

was vermeidende Bindung ausmacht,

dann erkenne ich mich und meine Klient:innen zu 100 %wieder! Lt. Diane Poole Heller* (Autorin des Buches „Tief verbunden“) sind das:

  • Vereinsamung
  • Mangel an emotionaler Zuwendung
  • Mangel an elterlicher Präsenz
  • oder eine aufgabenbasierte Präsenz
  • fehlende Beruhigung
  • emotionale Vernachlässigung
  • unstimmiges Verhalten
  • gestörtes Bindungsverhalten und
  • Zurückweisung.

hochsensibilität hat mit Isolation zu tunFür die Kinder ergibt sich daraus ein ganz grundsätzliches Isolationsgefühl. Ganz viele hochsensible Menschen kennen das Gefühl, sich wie ein Alien zu fühlen, fremd zu sein, nicht dazuzugehören. Ich selbst kenne das auch. In der Folge fühlt man sich in Beziehung mit anderen Menschen oft nicht wohl oder baut Beziehungen eher auf einer wesentlich ungefährlicheren Basis auf, z. B. zu Tieren, Pflanzen oder nicht belebten Objekten. Es ist natürlich auch logisch, dass man Beziehungen eher vermeidet, wenn man sie immer nur als eher schmerzhaft  und

sich selbst machtlos fühlt.

Man kann z. B. das Muster entwickeln, sich an Tätigkeiten festzuhalten, die einen noch weiter von anderen entfernen.

Mir blutet das Herz, als ich lese, dass Schwierigkeiten mit dem Augenkontakt ein weiteres Merkmal vermeidender Bindung ist. Damit habe ich selbst den Großteil meines Lebens zu kämpfen gehabt.

Während ich dies schreibe, merke ich, dass jeder dieser Punkte ein eigener Blogbeitrag wert wäre …

Lass mich noch kurz benennen: die

Schwierigkeit, persönliche Bedürfnisse zu erkennen

und zu äussern, eine Betonung der linken Gehirnhälfte (sehr, sehr viele hochsensible Menschen sind äußerst kopfbetont) und einen Hang zum praktischen Handeln. Ich weiß natürlich nicht, wie es dir beim Lesen geht, aber ich sehe da nur Merkmale, die für mich zur Hochsensibilität gehören.

Halten wir also fest, dass es offenbar einen

Zusammenhang gibt zwischen Hochsensibilität und nicht-sicheren Formen der Bindung.

Ein Bindungstrauma kommt ebenfalls häufig im Zusammenhang mit Hochsensibilität vor. Bei Michaela Huber habe ich in dem Buch „Trauma und die Folgen“ die Aussage gefunden, dass ein Kind desorganisiert gebunden aufwächst, wenn seine Eltern an

unverarbeiteten Traumata

leiden. Ich wollte es dann genau wissen und habe bei der Autorin Sabine Bode im Buch „Die vergessene Generation“ nachgesehen. Sie schreibt, dass rund 30 % aller Menschen, die den 2. Weltkrieg als Kinder erlebt haben, unter belastenden Folgeschäden leiden. Das erscheint mir sowas von unwahrscheinlich.

Überlege einmal, wie sehr Corona uns auf allen Ebenen zugesetzt hat, vor allen Dingen emotional. Wie immer erfahren Kinder diese unsicheren Lebensbedingungen ungleich härter als  Erwachsene. Von Studien wissen wir, dass Corona eine extreme Auswirkung auf die Psyche der Kinder hatte. Nun ist ein Krieg noch eine ganz andere Hausnummer, bei der es noch viel krasser zugeht.  Ich bin bin felsenfest davon überzeugt, dass die ganze Generation unserer Eltern (also die Eltern von allen, die etwa zwischen 1955 und 1975 geboren wurden) in irgendeiner Form durch den 2. Weltkrieg ein Trauma erlebt hat und zu den Folgen eine posttraumatische Belastungsstörung gehört. Dafür spricht meines Erachtens auch, dass diese Generation nicht mehr einfach an Altersschwäche stirbt, sondern krank wird durch Stress und unter unter Umständen lange dahinsiecht.

Und es bedeutet auch, dass wir, die Kriegsenkel und die nachfolgenden Generationen,

die kollektive Traumatisierung mittragen.

Wenn nicht durch direkte Weitergabe, dann dadurch, dass unsere Eltern sich uns nicht zuwenden (sondern manchmal sogar eher ab) und uns all die Dinge geben konnten, die wir gebraucht hätten, um gesunde Resilienz zu entwickeln. Unsere Eltern waren einfach viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Oder haben vielleicht im Grunde auch nie erwachsen werden können.

Natürlich habe ich keine Beweise dafür. Aber ich habe meinen gesunden Menschenverstand. Und meine Lebenserfahrung. Und wenn man beginnt, sich intensiver mit sich selbst und mit Trauma auseinander zu setzen, ist eines der ersten Dinge, die einem ins Auge stechen:

wie ungeheuer verletzlich wir sind

aber auch: wie lebendig und wie lebenshungrig.  Wir wissen alle, dass wir etwas anderes hätten bekommen sollen. Und dass wir das noch erleben wollen, was hätte werden können aus uns, hätte es andere Startbedingungen gegeben. Statt dessen sitzen wir hier mit einem Berg an Lernerfahrungen und

Glaubenssätzen aus belastenden Kindheitserfahrungen, die uns das Leben schwermachen.

Diese Überzeugungen haben wir zu einem Zeitpunkt entwickelt, als wir schlüssige Erklärungen brauchten. Damals hatten sie ihren Sinn für uns. Heute aber meistens nicht mehr.

Genau darum habe ich den Intensivkurs entwickelt, meinen online Kurs „Besser umgehen mit Hochsensibilität“. Seit ich den „Conscious EFT“ Ansatz der kanadischen EFT-Masterin Nancy Forrester kennengelernt habe, wusste ich sofort, dass das richtig ist für mich und „meine Leute“. Denn dort geht es darum, die EFT Klopftechnik viel sicherer zu machen.

Konkret bedeutet es, dass ich mit Klient:innen nicht (mehr) in der Vergangenheit herumgrabe. Statt dessen SUCHEn wir nach Glaubenssätzen, die sich durch ihre/seine Lernerfahrungen ergeben haben, die heute ein Sich-wohl-fühlen verhindern. Deswegen geht es im Intensivkurs viel weniger darum, einzelne Sätze mit EFT zu klopfen, sondern kurze Impulse zu den jeweiligen Themen – die aber viel intensiver und tiefer wirken als Sätze.

Eine Teilnehmerin meiner ersten Intensivkursgruppe hat mir geschrieben: „Immer wieder gibt es Momente, beim Online-Klopfen oder auch alleine zu Hause, wenn ich die ersten Mal einen neuen Klopf-Impuls befolge, wo ich tief berührt bin und das Gefühl habe, mit Teilen von mir in Kontakt zu kommen, die ich sonst kaum erreiche.“ (Das ganze Feedback kannst du lesen, wenn du unten auf den Button für die Kursseite klickst.)

Ich habe mich so unendlich darüber gefreut. Weil es zeigt, dass mein Konzept aufgeht. Und weil es bedeutet, dass ich mit dem Intensivkurs viel mehr Menschen gleichzeitig dabei unterstützen kann, sich von ihren Lernerfahrungen aus Entwicklungstrauma in einem sicheren triggerfreien Raum zu BEFREIEN. Und das ist so unendlich wichtig, weil Glaubenssätze und Verhaltensmuster uns davon abhalten, uns zu leben, unser Leben zu leben.

Bald ist es übrigens so weit, der Intensivkurs öffnet vom 21. bis zum 27. April wieder seinen Zugang. Ich habe zwischenzeitlich entschieden, die Anzahl der Teilnehmer:innen auf 10 pro Gruppe zu beschränken, damit ich die Möglichkeit habe, alle Teilnehmer:innen im Blick zu behalten. Kleine Gruppen steigern deinen Wohlfühlfaktor ganz erheblich.

Von Herzen, deine

Monika Richrath

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10 belastende Kindheitserfahrungen

10 belastende Kindheitserfahrungen

Ich bin schon ziemlich lange davon überzeugt, dass Trauma, bzw. Entwicklungstrauma massive Auswirkungen auf den Körper, auf das Leben, auf die Persönlichkeitsentwicklung und vor allen Dingen auch auf die Gesundheit hat.

Eine traumatische Entwicklungsstörung entsteht durch sich wiederholende Erlebnisse als Kind, die in uns sehr viel Stress ausgelöst haben und uns darauf geprägt haben, in einer inneren Alarmbereitschaft zu sein.  Häufig ist dies auch mit vielen Ängsten und Sorgen verbunden (die einen dann auch im Erwachsenenleben nicht wirklich loslassen). Es ist davon auszugehen, dass diese Belastungen in der Kindheit in uns eine innere Landschaft anlegen, die wir dann als „Hochsensibilität“ empfinden. (Also eher eigentlich Vulnerabilität und natürlich ist auch klar, dass es an der jeweiligen persönlichen Resilienz und den Umständen liegt, wie intensiv die Ausprägung dann ist.)

Im Rahmen meiner Beschäftigung mit dem Thema Trauma bin ich immer wieder auf den Begriff

ACE (Adverse Childhood Event: Belastende Kindheitserfahrung)

gestoßen. Natürlich beschäftigen sich auch Wissenschaftler mit der Frage, ob die belastenden Kindheitserfahrungen sich auf das spätere Leben auswirken. Dabei sticht besonders die CDC-Kaiser-ACE Study heraus, über die 1998 ein Artikel im Journal of Predictive Medicine veröffentlicht wurde. Diese Studie wurde gemeinsam mit dem Center for Disease Control and Prevention und der privaten Krankenversicherung Kaiser Permanente durchgeführt. Die Studie enthält Daten von 17.421 Menschen, die in der Mehrheit weiß waren und eine akdemische Bildung erhalten hatten und über eine gute Gesundheitsversorgung verfügten. Mehr Einzelheiten über diese Studie finden Sie hier.

Diese Studie hat übrigens dazu geführt, dass viele Länder ebenfalls Studien über belastende Kindheitserfahrungen durchgeführt haben.

Graph showing how adverse childhood experiences are related to risk factors for disease, health, and social well-being. The lifespan is represented as an arrow ascending past the layers of a pyramid, beginning at Adverse Childhood Experiences and moving through Social, Emotional, and Cognitive Impairment; Adoption of Health-risk Behaviors; Disease, Disability, and Social Problems; and finally Early Death. Smaller arrows depict gaps in scientific knowledge about the links between Adverse Childhood Experiences and later risk factors. Charles Whitfield, M.D., Centers for Disease Control and Prevention

Nur kurz zu den Ergebnissen (denn eigentlich finde ich vor allem die Liste der Erfahrungen für uns interessant):

mehr als zwei Drittel Studienteilnehmer*innen

erlebten mindestens eine belastendes Ereignis in der Kindheit, eineR von 5  Teilnehmer*innen mindestens 3 . Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass belastende Ereignisse bedeuten, dass die Prävalenz chronischer Krankheiten, wie schweres Übergewicht, Krebs, Herzkrankheiten, Lungenkranktheiten, Schlaganfall, Diabetes, Depression, usw.) begünstigt wird. Dazu kamen noch Verhaltensweisen, die der Gesundheit nicht zuträglich waren wie Rauchen, Alkoholmissbrauch, Substanzmittelmissbrauch usw.) Es gilt als belegt, dass ein Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen den ACEs und negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und das emotionale Wohlbefinden besteht und dass dieses Risiko mit der Anzahl der ACEs steigt.

Wenn Sie sich weiter unten die Liste ansehen, dann werden Sie merken, dass es sich hierbei nicht um einmalige Vorkommen handelt, sondern eher um Zustände, die nicht punktuell, sondern vermutlich andauernd – wenn nicht sogar anhaltend über einen sehr langen Zeitraum – waren.

Ich möchte mich mit meine Liste nicht ganz sklavisch an die offizielle ACE-Liste halten, auch wenn sie im Wesentlichen übereinstimmt:

 

1. Süchtige Eltern

Dabei muss es sich durchaus nicht nur um Alkohol handeln, es kann sich auch um Sex, Spiele, Drogen, Arbeit, Essen, Fremdgehen, Fernsehen, Putzen usw. handeln. Was man dabei im Blick haben sollte: die Sucht geht immer, immer vor. Und der nichtsüchtige Elternteil ist dabei sehr häufig vor allem auf den süchtigen Elternteil bezogen, d. h., die Kinder bleiben eher außen vor und erhalten sehr viel weniger Aufmerksamkeit, abgesehen von allen anderen Schwierigkeiten, die die Sucht eines oder mehrerer Elternteile mit sich bringt. Ich stamme selbst aus einem Alkoholiker Haushalt und werde demnächst dazu noch mehr schreiben.

Auf jeden Fall gehört zur Liste der Konsequenzen das  (unangebrachte) Übernehmen von Verantwortung für die Familie, weil die Eltern selbst dazu häufig nicht in der Lage sind. Auch Verleugnung und Verdrängung sowohl nach innen (was eigene Gefühle angeht) als auch nach außen (was die Zustände in der Familie angeht) sind ebenfalls sehr wichtige Auswirkungen auf Kinder, deren Eltern süchtig sind.

2. Verbale Angriffe

In Ihrem Zuhause gibt es keine Ruhe, es gibt viel Streit in der Familie. Auch für Sie gibt es keine Liebesbeweise, nie bekommen Sie zu hören, dass Sie etwas gut gemacht haben, dass Sie geliebt werden o. ä. Statt dessen werden Sie dauernd runtergeputzt und man lässt keine Gelegenheit aus, Ihnen zu vermitteln, dass Sie einfach nicht wichtig sind. Häufig machen Sie die Erfahrung, dass ein Geschwisterkind durchaus geliebt oder bevorzugt behandelt wird, oder dass die Eltern oder ein Elternteil sich mit Geschwisterkindern gegen Sie verbünden.

3. Emotionaler Missbrauch

Sie müssen häufig als Partnerersatz für einen Elternteil herhalten, entweder, weil der Elternteil tatsächlich nicht mehr da ist, oder weil er sich abgewandt hat und emotional überhaupt nicht mehr verfügbar ist. Sie werden als Vertraute der Mutter benutzt und in Ehegeheimnisse eingeweiht, die sie nicht wissen wollen oder auf die Seite des Vaters gezogen und dienen als Verbündete. Sie dürfen kein Kind sein.

4.Vernachlässigung

Sie haben einfach das Gefühl, nicht zu zählen, bedeutungslos zu sein.  Und das ist das schlimmste von allem. Vielleicht haben Sie schon einmal von den Experimenten mit gegorenem Reis gehört, der jeweils unterschiedlichen Behandlungen unterzogen wurde (liebevoller Zuspruch, verbale Attacken und völliges Linksliegenlassen). Die Reisproben, die einfach nicht beachtet wurden, zweigten die schlimmsten Auswirkungen. Jemand der so aufwächst, wird Schwierigkeiten haben, sich selbst wichtig zu nehmen, Selbstliebe zu entwickeln und ein erfülltes Leben zu führen. Hier gibt es durchaus Überschneidungen mit anderen Punkten, zum Beispiel mit Punkt 2.

5. Gewalt

Dies kann sowohl sexuellen Missbrauch beinhalten, als auch tatsächlich köperliche Züchtigung und Schläge. Hier geht es um Grenzverletzungen, Vertrauensverlust, körperliche Unversehrtheit, aber es spielen auch noch andere Faktoren mit hinein. Vielleicht haben wir Verantwortung dafür übernommen, für die Sicherheit andere Familienmitglieder zu sorgen (manchmal zu Lasten unserer eigenen).

6. Verlassenwerden

Dies kann alles mögliche beinhalten. Vielleicht stirbt jemand, der für Sie eine wichtige Bezugsperson war. Vielleicht verlässt ein Elternteil tatsächlich die Familie, und der andere Elternteil ist mit der Sicherung des Lebensunterhaltes beschäftigt, so dass niemand sich mehr mit Ihnen beschäftigen kann. Es kann aber auch bedeuten, dass niemand jemals Zeit für Sie hat. Viele von uns hatten Eltern, die nach dem Krieg damit beschäftigt waren, sich eine neue Existenz aufzubauen. Die Kinder liefen einfach nur so mit.

7. Frühe Abbrüche in der Bindung

Vielleicht wurden Sie zur Adoption freigegeben oder wuchsen als Pflegekind bei anderen als den ursprünglichen Eltern auf, vielleicht sogar in einem Heim. Aber vielleicht war es nicht einmal so etwas Dramatisches, sondern viel Alltäglicheres. Vielleicht hat Ihre Mutter unter einer Postnatalen Depression gelitten, konnte sich nicht mit Ihnen anfreunden, sich nicht auf Sie freuen, musste (vielleicht sogar wiederholt) ins Krankenhaus oder war sonstwie abwesend.

8. Geschwister Trauma

Dies kann ebenfalls viele verschiedene Dinge beinhalten. Vielleicht war ein Geschwister krank und Sie standen daher immer im Schatten dieses Geschwisterkindes.  Vielleicht haben die Eltern auch ein Kind vor Ihrer Geburt verloren und Sie haben den (niemals ausgesprochenen Auftrag) diesen Verlust wieder gut zu machen. Vielleicht wurden Sie Zeuge eines traumatischen Erlebnisses eines Geschwisterkindes, dem Sie nicht helfen konnten. Vielleicht haben Ihre Geschwister Sie gequält. Vielleicht wurde ein Geschwisterkind wie das „goldene Kind“ behandelt (hier kann es durchaus Überschneidungen mit Punkt 2 geben) und Sie wie „Aschenputtel“ behandelt, das kommt gar nicht so selten vor.

9. Armut

In Armut aufzuwachsen ist eine Erfahrung, die sehr, sehr tief prägt, vor allen Dingen unsere Glaubenssätze über uns selbst und die Welt. Meistens haben unsere Eltern ein entsprechend geprägtes Weltbild, das wir als Kinder übernehmen, weil wir es nicht besser wissen. Dies beinhaltet zum Beispiel, dass wir nicht daran glauben, dass wir alles Gute dieser Welt verdienen und es auch in der Hand haben, etwas dafür zu tun, wir haben kein Bewusstsein für das Potential, das in uns schlummert und möglicherweise fehlt uns eine Art natürlicher Mut …

10. Ein oder beide Elternteile sind psychisch krank

Das ist ebenfalls ein sehr schwieriger Punkt. Psychisch kranke Elternteile sorgen dafür, dass man die Familie nicht als sicheren Ort empfinden kann, da sich die kranke Person immer wieder auf unvorhersehbare Weise verhält, und vielleicht auch dafür sorgt, dass die eigene Wahrnehmung in Frage gestellt wird. Als Kind hat man relativ wenig Möglichkeiten, den Wahrheitsgehalt von Behauptungen Erwachsener zu prüfen, sondern übernimmt deren Ansichten ungefiltert. Das ist sowieso schon schwierig genug, wenn ein Elternteil psychisch krank ist, kann dies bedeuten, dass man selbst in seinem Ausdrucksverhalten vollkommen gehemmt wird, weil man zur Zielscheibe der Angst und Unsicherheiten, des Spotts oder Zorns usw. des entsprechenden Elternteils wird. Auf jeden Fall

Und natürlich können auch hier wieder Verschränkungen mit anderen Punkten entstehen.

Das war ziemlich harter Tobak. Falls Sie jetzt aufgebracht sind, klopfen Sie bitte wie oben gezeigt. Ich selbst bin übrigens mit mindestens 5 der oben genannten Erfahrungen aufgewachsen.

Ich bin natürlich jetzt sehr neugierig, wie es mit Ihnen ist. Darum habe ich mal wieder eine Umfrage erstellt und bin meganeugierig, wie sie sich über die Zeit entwickeln wird.

Falls Sie Lust haben, Ihre Erfahrungen mit uns zu teilen, freue ich mich über Ihren Kommentar unter dem Artikel.

Von Herzen, Ihre

Monika Richrath

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Katastrophale Bindungserfahrungen

Katastrophale Bindungserfahrungen

Jetzt hast du wirklich sehr, sehr lange nichts mehr von mir gehört. Die Pause am Jahresende hatte ich wirklich bitter nötig, denn, ehrlich gesagt, bin ich sehr mitgenommen von den Entwicklungen in meinem Leben.  Daher finde ich, es ist eine ganz gute Idee, das Jahr 2020 (ich liebe diese Zahl total!) mit einem persönlichen Artikel über meine Bindungserfahrungen zu starten.

Wenn du meinem Blog folgst, erinnerst du dich vielleicht, dass ich mich vor kurzem verliebt habe. Und das ist eine echte Herausforderung (Stress pur) für mich.

Beziehungen sind für mich eher ein Buch mit sieben Siegeln, bis jetzt für mich nicht richtig zu entziffern war. Was daran liegt, dass meine

Bindungserfahrungen katastrophal

sind.

Mittlerweile habe ich mich an den Gedanken gewöhnt, dass meine Beziehungskatastrophen etwas mit meinen frühkindlichen Erfahrungen in der Welt zu tun haben. (Nach allem, was ich mittlerweile über Trauma gelernt habe, weiß ich ja jetzt, dass ich ein Entwicklungstrauma erlebt habe.)

Eine gute Gelegenheit einmal zu erzählen,

wie meine erste Bindung ausgesehen hat:

Das Alter meiner Mutter bei meiner Geburt betrug gerade mal 24. Das erste Kind hatte sie mit 21 bekommen. Das zweite mit 22. Sie lebte mit ihren 2 Kindern in der Wohnung ihrer Mutter. Mein Vater glänzte vornehmlich durch seine Abwesenheit. Er fühlte sich offenbar nur in psychiatrischen Kliniken geborgen. Alleine gelassen, musste meine Mutter sich um die beiden Kinder kümmern. Sie war total frustriert. 24! So jung und schon irgendwie gefangen. Sie hatte sich sicher ein anderes Leben vorgestellt! Sie war ziemlich verzweifelt. Nervös. Einsam. Alles musste sie alleine machen. Die Beziehung zu meinem Vater hatte schon Schaden genommen.

sich auf das neue Baby freuen war für meine Mutter nicht möglichKein Wunder, dass sie sich nicht auf mich, das neue Baby freute.

Tragischerweise hatte es ja gar nichts mit mir persönlich zu tun. Aber ich habe immer gewusst, dass ich nie willkommen war. Im Zuge meiner Familienrecherche habe ich dann ja auch herausgefunden, dass mein Gefühl richtig war.

Im Grunde genommen war also unsere Beziehung schon von meiner Geburt an belastet. Kein Wunder, dass ich es nicht eilig hatte mit dem Geborenwerden. Eineinhalb Wochen habe ich mir Zeit gelassen. Ob ich dann tatsächlich freiwillig zur Welt kam oder geholt werden musste, konnte ich bislang leider nicht herausfinden.

Mit meiner Mutter und mir ging es problematisch weiter.

Im Krankenhaus war noch alles gut gewesen.

Vielleicht, weil meine Mutter dort selbst umsorgt wurde und sich ausruhen konnte. Zuhause war das anders. Da war sie wieder alleine mit der Verantwortung für die Kinder. Mein Vater war wieder irgendwo zur Kur. Jedenfalls hatte meine Mutter keine Milch mehr für mich (Ich beginne erst jetzt zu ahnen, wie sich das auf mich ausgewirkt haben könnte!).

Drei Monate nach meiner Geburt gab es einen großen Einschnitt für die Familie. Meiner Mutter zog mit meinem Vater ins Rheinland in die erste eigene Wohnung. Da die Kinder während des Umzugs den Erwachsenen im Weg gewesen wären, wurden wir verteilt und für ein paar Tage bei Verwandten und Bekannten untergebracht. Ich kam zu einer Freundin der Mutter meines Vaters (meine Patin?). Ziemlich katastrophal für ein drei Monate altes Baby.

Aber es kam noch schlimmer

6 Monate nach meiner Geburt war meine Mutter (die zudem wieder schwanger war mit meinem Bruder) total am Ende ihrer Kräfte. Sie wurde zur Kur in die Eifel geschickt, in ein von Nonnen geleitetes Heim, ohne Kinder natürlich, sie sollte sich ja erholen. Sechs Wochen lang. Meine beiden Schwestern waren in dieser Zeit in einem Kinderheim untergebracht, mein Vater war in dieser Zeit zwar wieder zu Hause, aber offenbar konnte oder wollte er sich die Aufgabe, sich sechs Wochen lang um zwei Kleinkinder zu kümmern, nicht zumuten.

Ich war in dieser Zeit wieder bei der oben besagten Freundin der Mutter meines Vaters.

eine furchterregende Haushaltshilfe sorgte für traumaEs gab auch später noch andere Gelegenheiten,

eine sechswöchige, traumatische Kinderverschickung im Allgäu,

ein Krankenhausaufenthalt meiner Mutter, in deren Abwesenheit wir von einer furchterregenden Haushaltshilfe regiert wurden …

Die Liebesgeschichte zwischen meiner Mutter und mir

bestand vornehmlich aus Schwierigkeiten und Abbrüchen

was in der Folge dazu geführt hat, dass Liebe, Bindung und Beziehungen für mich immer schwierig waren. Ich glaube, dass ich mich die erste und zweite Trennung traumatisiert hat. Sie haben die Weichen für mein weiteres Leben gestellt. Das hat sich in allen Beziehungen fortgesetzt.

Oftmals wurde ich von jetzt auf gleich verlassen,

ohne Angabe von Gründen oder vollkommen absurden, nicht nachvollziehbaren Gründen. Eine Freundin hat mit mir Schluss gemacht, weil sie meinen (vollkommen legalen) Schwangerschaftsabbruch Anfang 20 so schrecklich fand (sie wollte selbst Kinder haben – hat aber meines Wissens bis jetzt keine Kinder bekommen). Oder jemand ließ sich am Telefon verleugnen und war fortan nie mehr zu sprechen. Oder ich wurde durch permanentes Fremdgehen verlassen. Die Liste ist sehr lang und ließe sich unendlich fortsetzen.

Manchmal bin ich auch selbst gegangen.

Die Männer habe ich durchweg alle selbst verlassen. Die Frauen eher weniger, aber es kam auch schon vor.

Bei Bindungsschwierigkeiten sind die Rollen durchaus austauschbar, ohne etwas an dem Gesamtkonzept zu verändern. Es hat sehr lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass ich nicht nur verlassen wurde, sondern mich selbst auch aktiv zurückgezogen habe aus der jeweiligen Beziehung, von Anfang an. Aber als Baby hat man da nicht so sehr die Wahl …

Wie auch immer, all das hat natürlich dazu geführt, dass die Angst mit jeder neuen Liebe wächst und ich schon im Vorfeld einer Beziehung Verlassensängste in einem vollkommen unangemessenen Ausmaß entwickele, aber auch Angst davor verletzt zu werden etc. Wie ich heute nun weiß,

sind das ganz typische Folgen eines Entwicklungstraumas.

Nicht umsonst wird das auch Bindungstrauma genannt.

Diesmal fühle ich mich aber besser gewappnet. Weil ich so viel über Bindung und Trauma gelernt habe im letzten Jahr. Weil ich so viel geklopft habe. Weil ich mich so intensiv mit meinen Glaubenssätzen zum Thema Liebe und Bindung auseinandergesetzt habe. Weil ich schon im letzten Jahr damit begonnen habe, mich nach und nach von Menschen zu trennen, mit und zu denen es keine richtige Bindung gibt.

Und weil ich es einfach noch einmal wissen will:

Jetzt kann ich meine Hochsensibilität viel bewusster leben,

ich habe einen besseren Blick über meine Bedürfnisse – auch wenn mir ziemlich schnell klar geworden ist, dass ich noch sehr, sehr viel Handlungsbedarf habe – ich weiß zumindest theoretisch, was ich jetzt brauche und will. Ich habe eine Vorstellung, dass all das Wissen über Hochsensibilität, Trauma und Bindung mir helfen könnte, eine Beziehung mit mehr Wahrhaftigkeit zu führen, dass die Beziehung an sich sich anders anfühlen könnte. Ob das so sein wird, weiß ich natürlich nicht.

Das kann ich nur herausfinden, wenn ich mich einlasse.

Eins habe ich aber schon herausgefunden: nämlich, dass, wenn ich mich einlasse, ein Teil der alten Wunde heilen kann. Und dass diese Wunden vor allem im Miteinander heilen …

Darum bin ich bereit für das Abenteuer Liebe …

Welche Erfahrungen hast du in Beziehungen gemacht? Konntest du bewusst etwas verändern? Bleibst du lieber allein? Wie immer freue ich mich, wenn du deine Erfahrungen mit uns teilst.

Falls dich interessiert, wie es denn ausgegangen ist mit meiner neuen Liebe, kannst du hier zu meiner Artikelserie Trauma in Liebesbeziehung kommen.

Von Herzen,

Unterschrift Monika Richrath

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Das Lächeln eines Babys

Das Lächeln eines Babys

Zu den Dingen, mit denen ich mich im Augenblick intensiv befasse, gehört Bindung mit ihren vielfältigen Aspekten und die Auswirkungen von Bindungserfahrungen auf unser Leben. Mittlerweile bin ich übrigens wirklich davon überzeugt, dass unsere Bindungserfahrungen auch etwas mit Hochsensibilität zu tun haben …

Vor kurzem hatte ich bei zwei kurzen Begegnungen, die Gelegenheit

Bindungsverhalten von Babies

zu beobachten. Beide Begegnungen haben mich auf ihre Weise ziemlich mitgenommen, weil ich etwas, das ich bislang nur in Büchern beschrieben gelesen habe, nun am eigenen Leibe erleben konnte.

Begegnung 1

Ich stehe bei meinem Biometzger in der Schlange. Direkt neben mir, etwas abseits, steht ein Kinderwagen, die Eltern stehen beide an der Theke und kaufen ein.

Ein Baby! Hochgradig erfreut spähe ich in den Kinderwagen.

Das Baby ist wach.

Ich freue mich.

Ich lächele.

Das Baby lächelt zurück.

Ich merke richtig, wie mein Körper beginnt zu strahlen.

Noch dazu ist das Baby in etwa in dem Alter, wo man das Gefühl hat, von dem Baby erkannt und in seinem ganzen Wesen erfasst zu werden. So wie das Baby oben auf dem Foto.

Ich lächele noch mehr.

Das Baby dreht den Kopf weg.

Darum gucke ich auch weg und sehe mir die Auslage in der Fleischtheke an.

Nach einer Weile drehe ich das Gesicht wieder dem Baby zu und lächle.

Das Baby strahlt zurück – über das ganze Gesicht – und freut sich.

Ich lächele zurück.

Das Baby schaut weg.

Ich sehe wieder woanders hin.

Dabei erfasst mich eine Art ehrfürchtiges Staunen.

So geht das also mit der aufeinander abgestimmten Kommunikation.

Ganz mühelos eigentlich.

Wir gehen in Verbindung,

dann lassen wir los,

wir sammeln uns,

damit wir wieder in Verbindung gehen können.

So geht es hin und her.

Schließlich habe ich meinen Kopf abgewendet. Als ich mich umdrehe, ist der Kinderwagen verschwunden, mitsamt dem Baby. Ich habe es nicht gemerkt, ich war so absorbiert von dieser wunderschönen Kommunikationserfahrung.

Ich fühle mich sofort beraubt.

Nichtsdestotrotz hat mich dieses kleine Ereignis noch lange begleitet und erfreut. Selbst jetzt, wo ich es aufschreibe, merke ich, dass sich ein Lächeln von meinem Gesicht auf und im ganzen Körper auszubreiten beginnt … Jedenfalls ein offenbar glücklich gebundenes Kind.

Ganz anders verlief Begegnung 2.

Ich steige in einen Bus und setze mich auf einen Platz, wo mir schräg gegenüber eine junge Mutter sitzt, die ihr Baby auf dem Schoß hält.

Die Mutter hat eine Ausstrahlung, die ich spontan als bedrückt und sorgenvoll empfinde.

Das Baby hat haargenau die gleiche sorgenvolle Ausstrahlung.

Es beobachtet mich mit gerunzelter Stirn. Offenbar bedeutet meine Anwesenheit für das Baby in irgendeiner Form Stress.

Vorsichtig lächele ich das Baby an.

Das Baby lächelt nicht zurück.

Statt dessen intensiviert sich der sorgenvolle Blick.

Ich sehe weg.

Danach probiere ich es noch einmal. Versuche, extra freundlich zu gucken, Liebe in meinen Blick zu legen.

Vergeblich.

Damit kann das Baby gar nichts anfangen.

Es ist ganz offensichtlich, dass ich

eher eine Art Bedrohung darstelle.

Ich sehe wieder weg.

Aus dem Augenwinkel beobachte ich die Interaktion der Mutter mit dem Kind.

Die Mutter beugt sich von Zeit zu Zeit zu dem Kind herunter.

Das  Kind reagiert nicht. 

Es tut so, als sei die Mutter gar nicht da.

Nur wenn die Mutter weg guckt, wirft es einen schnellen Blick auf sie.

Hier sind zwei, die sich ständig verpassen.

Die Busfahrt dauert eine ganze Weile. Ich habe Zeit, sie zu beobachten.

Irgendwann holt die Mutter ihr Handy raus, beginnt, auf das Display zu gucken.

Ich spüre, dass die Energie des Babys schwächer wird, dass es sich mehr in sich selbst zurückzieht.

Dies zu sehen und zu spüren, tat mir richtig weh. Dies nun also ist ein Beispiel für – ich weiß gar nicht, wie ich das nennen soll – vielleicht eine Bindung, die nicht funktioniert.

Das Baby ist doch noch so klein, auch wenn es schon sitzen kann.

Irgendwann mag ich es nicht mehr sehen und stehe auf. Das tut mir so leid, das greift mich richtig an. Wahrscheinlich, weil es mich irgendwie an mich erinnert, an

meine eigene schwierige Kommunikation mit meiner Mutter,

an die schwierigen Voraussetzungen unserer Beziehung. Auch wenn ich ganz viel davon noch mit ihr klären konnte vor ihrem Tod, bleiben dennoch ganz viele Dinge übrig, mit denen ich noch nicht meinen Frieden gemacht habe, die noch unbearbeitet sind. Mittlerweile weiß ich ja um mein eigenes Entwicklungstrauma. Und hier kann ich direkt sehen, was eine Bindungsstörung bedeutet, wie das aussieht. Denn ich weiß, genau so war es auch mit meiner Mutter.

Mein Verhältnis zu meiner Mutter ist wie eine 7-köpfige Hydra. Wenn ich sieben Köpfe abschlage, wachsen 14 Köpfe nach. Manchmal kommt es mir so vor, als könnte ich niemals zu einem Ende kommen. Aber das stimmt doch nicht … jedenfalls weigere ich mich entschieden, das zu glauben. Mein Weg geht immer vorwärts, auch ich nur kleine Trippelschritten vorwärts mache und manchmal auch den ein oder anderen Schritt zurück, bleibt die Richtung insgesamt doch bestehen.

Wie ist es Ihnen gegangen beim Lesen dieses Artikels? Denken Sie dran, dass Sie immer mit EFT klopfen können, wenn Sie von etwas emotional getriggert werden. Ich freue mich über Ihre Kommentare.

Von Herzen, Ihre

Monika Richrath

 

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