Kurz nach Weihnachten hatte ich ein wirklich schönes Erlebnis. Ich war im Kino, um mir die Verfilmung von „Ich bin dann mal weg“ anzusehen. Während wir darauf warteten, dass der Film beginnt, sah ich mich um und ließ meinen Blick durch den gefüllten Saal um die Menschen um mich herum schweifen. Da saßen lauter Menschen, die ich nicht kannte, Menschen, von denen ich nicht wusste, ob sie Hochsensibilität kennen und sich damit in Zusammenhang bringen, aber Menschen (ganz unterschiedlichen Alters), die hier zusammen diesen Film ansehen wollten und von denen ich getrost annehmen konnte, dass uns eine ähnliche Weltanschauung und Werte miteinander verbinden und die sich im großen und ganzen mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigen. Und dann wallte ein sehr intensives, warmes Gefühl in mir hoch, „meine Leute“ kam mir in den Kopf und mir wurde bewusst, dass ich mich als Teil dieser Gemeinschaft wahrnehmen kann – auch wenn ich die einzelnen Mitglieder nicht kenne.
Das war nicht immer so.
Ganz im Gegenteil. Den Großteil meines Lebens habe ich das Gefühl gehabt, außerhalb der menschlichen Gemeinschaft zu stehen, egal um welche Gemeinschaft es sich handelte. Als Kind war ich z. B. gar nicht sicher, ob ich wirklich in meine Familie gehörte und habe wohl eine Zeitlang geargwöhnt, ich könnte im Krankenhaus vertauscht worden sein – so fremd fühlte ich mich. Auch in der Schule blieb ich meistens für mich alleine, bildete allenfalls gelegentlich Zweckgemeinschaften mit anderen, die auch nicht dazugehörten.
Das Gefühl anders zu sein
durchdrang mein ganzes Leben, ebenso wie das Gefühl, dass mir etwas fehlt, was alle anderen haben. Was es war, wusste ich auch nicht. Mal war es eine natürliche Begabung zum Glücklichsein, mal war es ein natürlicher Umgang mit ganz Fremden, der vielen offenbar ganz leicht fiel. Ich jedenfalls gehörte nicht dazu.
Manchmal wollte ich auch nicht dazugehören.
Oft fand ich die vermeintliche Leichtfertigkeit und Oberflächlichkeit der anderen unterträglich, genauso wie munterer Small Talk. SO wollte ich nicht sein – aber natürlich hätte ich mir ein Bein ausgerissen, um endlich dazuzugehören, aber ich wusste einfach nicht, wie ich das anstellen sollte. Letzten Endes fand ich mich damit ab, dass ich mich als
außerhalb der menschlichen Gemeinschaft
empfand. Jahrelang ging das so. Ehrlich gesagt, zerreißt es mir das Herz, wenn ich heute daran denke. So viel Leid … Umso erstaunlicher ist es, dass ich die Kurve doch noch bekommen habe. Es ist für mich immer noch ein kleines Wunder, wenn ich mir vergegenwärtige, wie isoliert ich mich früher gefühlt habe und wie ich mich heute als Teil einer Gemeinschaft wahrnehmen und wohlfühlen kann – selbst wenn diese Gemeinschaft eher zufällig ist.
Das Ereignis aus dem Kino ist schon einige Wochen her, aber ich habe jederzeit wieder Zugriff darauf und die damit verbundenen schönen Gefühle. Es reicht nur daran zu denken … ich werde sofort fröhlich und zuversichtlich und fühle mich getragen – von wem oder was auch immer. Nur ein Gefühl – aber ein sehr mächtiges.
Hochsensible Menschen fühlen sich oft isoliert
Das ist leider so – aber wir können natürlich hoffen, dass sich die Situation irgendwann ändert, wenn Hochsensibilität in der Gesellschaft einfach als normal, nichts besonderes, angesehen wird.
Wir brauchen alle eine Gemeinschaft.
Das liegt im Wesen des Menschseins. Wir brauchen das Gefühl, wichtig zu sein, zu zählen, zu einer Gruppe zu gehören, etwas bewirken zu können. Letztendlich ist die ganze Konsumkultur auf dem Bedürfnis der Menschen nach Gemeinschaft aufgebaut. Für hochsensible Menschen ist es manchmal schwierig, ein Zugehörigkeitsgefühl zu entwickeln, weil sie oft mit dem intensiven Gefühl einer Andersartigkeit aufwachsen, was letztlich zu Isolierung führen kann.
Isolierung aufheben
Dieses Gefühl der Isolierung können wir nur aufheben, wenn wir uns mit anderen Menschen verbinden, uns austauschen, gegenseitig den Rücken stärken, uns ausprobieren – und lernen. Die Gemeinschaft hilft uns auch dabei, zu lernen, uns selbst anzunehmen und darum profitieren hochsensible Menschen grundsätzlich von Gemeinschaft – aber auch von der Gemeinschaft mit anderen hochsensiblen Menschen ganz besonders.
Liebe Monika Richrath
Vielen Dank für diesen Bericht,ich denke heute noch dass ich nicht dazu gehöre, auch in der Ausbildung zur Therapeutin war ich immer alleine,jetzt verstehe ich vieles,aber es tat sehr weh immer zu beweisen dass ich auch dazu gehöre. Vielen Dank lbg Ursula
Vielen Dank, liebe Ursula, da bin ich sehr angerührt, denn dieses Gefühl kenne ich selbst leider nur allzu gut … Herzliche Grüße, Monika