Was bei Trauma im Gehirn passiert

Was bei Trauma im Gehirn passiert

In den vergangenen Monaten habe ich mich sehr intensiv mit dem Wesen von Trauma beschäftigt. Und natürlich auch mit der Frage, ob es

einen Zusammenhang geben könnte zwischen Hochsensibilität und Trauma.

Zunächst einmal habe ich herausgefunden, dass Trauma nicht ein Ereignis bezeichnet, wie dies durchaus üblich ist im Sprachgebrauch, sondern eher ein inneres Erleben, bzw. einen inneren Zustand – zunächst in Bezug auf ein Ereignis, welches aber im weiteren Verlauf nicht auf ein Ereignis beschränkt bleiben muss, sondern sich auch auf andere Ereignisse erstrecken kann, die die Erinnerung an das Ursprungsereignis wecken. Man nennt das „Triggern“. Es passiert häufig vollkommen unbewusst, z. B. auf einer Ebene der körperlichen Wahrnehmung, auf die wir bewusst keinen Zugriff haben. Du kennst das sicherlich selbst, dass einen

bestimmte Gerüche im Nullkommanix in die Kindheit zurückversetzen.

Mir selbst geht es immer ganz intensiv so, wenn ich bestimmte Oldies im Radio höre, dann bin ich sofort wieder in der Zeit, als dieses Stück rausgekommen ist, meistens in der Pubertät (das war die Zeit, wo ich Musik am intensivsten gehört habe). Und – ich bin dann meistens auch sofort in einer entsprechenden melancholischen Grundstimmung, die diese Zeit geprägt hat. Sehr sehr melancholisch.

Kürzlich habe ich in dem Beitrag schwarze Erinnerungen (bei dem es um die sog. Kinderverschickung geht), erzählt, dass ich immer noch einen Würgereiz durch den Geruch heißer Milch bekomme, obwohl die dazugehörigen Ereignisse mehr als 50 Jahre zurück liegen. Ich habe mich in letzter Zeit auch gefragt, ob ich mich mit kalten Duschen so wahnsinnig schwer tue, weil es in jenem Kinderheim Praxis war, die Kinder einmal täglich mit kaltem Wasser abzuspritzen …? Ich werde es vermutlich nie herausfinden, aber möglich wäre es schon.

Kinderverschickung hat sich als Trauma entpupptLetzten Endes war es tatsächlich meine intensivere Beschäftigung mit dem Thema Kinderverschickung, die bei mir

sehr viel in Sachen Trauma in Bewegung gesetzt hat.

Plötzlich begann ich mich, ganz blöd zu fühlen, ohne zu wissen, was wirklich los war. Nachdem mir jemand erzählt hat, was sie noch aus dem Heim wusste, sind auch ein paar Erinnerungen zurückgekommen. Die blöden Gefühle haben sich intensiviert. Und ich wusste irgendwann, dass ich jetzt auch nicht mehr zurück kann. Die Katze war aus dem Sack und es war mir klar, dass ich in recht absehbarer Zeit mich um eine Traumatherapie in einer entsprechenden Praxis in regelmäßigem Rahmen bemühen muss, auch wenn ich eigentlich immer noch dachte, ja, demnächst mache ich das.

Aber das Jahr hat sich dann so krass gestaltet, dass ich irgendwann gezwungen war, etwas zu unternehmen. Ich brauchte professionelle Hilfe. Was dazu führt, dass ich jetzt in der Lage bin, Ihnen allerhand zum Thema Trauma zu erzählen, denn ich habe mich recht intensiv mit Bessel van der Kolk und Peter Levine beschäftigt, während ich gleichzeitig in der Lage bin, selbst von ihren Forschungen zu profitieren.

So habe ich herausgefunden, was bei Trauma im Gehirn passiert.

Peter Levine hat eine Methode namens Somatic Experiencing entwickelt, bei der es darum geht, wieder in Verbindung zu kommen mit seinen körperlichen Empfindungen. Denn:

der Körper vergisst nichts

und speichert das Erlebte im sog. Körpergedächtnis ab.

Leider nicht in wohlsortierte und beschriftete Schubladen. Vielmehr ist es so, dass viele Empfindungen und Erinnerungen unseres Körpergedächtnisses chaotisch und unbenennbar erscheinen.

Dies mag daran liegen, dass sich in einem traumatischen Zustand das sog. Broca-Areal abschaltet. Das Broca-Areal ist eines der Sprachzentren im Gehirn und wenn die Funktion beeinträchtigt ist, fällt es uns schwer, unsere Gefühle und Gedanken zu beschreiben, nicht nur anderen gegenüber, sondern auch uns selbst.

Im Gegenzug dazu wird ein anderer Bereich im Gehirn aktiviert, das sog. Brodman Areal 19, ein Bereich im visuellen Kortex, der Bilder registriert, sobald sie im Gehirn eintreffen.

Dies hat der Wissenschaftler Dr. Bessel van der Kolk gemeinsam mit Kolleg:innen herausgefunden, als er die Reaktion von Probanden auf Flashbacks mit bildgebenden Verfahren untersuchte.

Das ist aber noch nicht alles.

Vielleicht werden aus misshandelten Kindern hochsensible KinderWir verlieren ebenfalls das Gefühl für Raum und Zeit.

Außerdem übernimmt ab einem bestimmten Zeitpunkt das emotionale Gehirn die Führung, das weder vom Bewusstsein gesteuert wird, noch verbal kommuniziert. Bei starken Erregungszuständen stehen Gehirnbereiche, die bei einer Integration/Verarbeitung des Erlebten helfen sollen, nicht mehr zur Verfügung. Das Erlebte wird im Gehirn dann nur noch bruckstückhaft abgespeichert, in Form scheinbar zusammenhangloser Bilder, Geräusche, Empfindungen, Gefühle und Sinneswahrnehmungen.

Und es ist genau dieses

Zusammenhanglose unserer verschiedenen Empfindungen, die Trauma so schwierig und quälend macht.

Auf der einen Seite können wir sehr stark getriggert werden durch eben jene Sinneswahrnehmungen – was nichts anderes bedeutet, als dass wir von einer Sekunde zur anderen in einem Superstresszustand sind, ohne zu wissen, wie wir dort hingekommen sind oder warum und wie wir wieder heraus kommen können.

Auf der anderen Seite fällt es uns schwer, mit anderen darüber zu reden, weil uns die Worte dafür fehlen, weil diese Empfindungen und Emotionen in Sekundenbruchteilen auftauchen und trotzdem kaum greifbar sind. Falls die Trauma Erfahrungen, die wir gemacht haben, in einem Alter in der Kindheit stattfanden, in dem wir sowieso noch keine Worte hatten, wird es noch schwieriger.

Trauma Erlebnisse leben auf jeden Fall in uns weiter.

Über die Jahre verlieren sie nichts an Intensität (jedenfalls nicht, wenn wir uns nicht aktiv im Rahmen einer Traumatherapie damit auseinandersetzen). Denn um ein Erlebnis in die eigene Geschichte und auch in das eigene Körperempfinden integrieren zu können, brauchen wir Kohärenz, wir müssen einen Zusammenhang herstellen, der bei der Integration und Verarbeitung des Erlebten hilft.

Ein anderer, ebenfalls sehr wichtiger

Aspekt bei der Entstehung eines Traumas ist,

ob Menschen in der Lage sind, sich in der jeweiligen Situation zu bewegen, aktiv zu werden um sich selbst zu schützen. Werden sie daran gehindert und fühlen sich selbst hilflos, allein und ausgeliefert, in der Falle, kann es zu einer Trauma Reaktion der Erstarrung kommen.

Peter Levine unterscheidet sogar in der Intensität der Erstarrung, je nachdem ob die Muskeln sich versteifen oder kollabieren und schlaff werden, wie es der Fall ist, wenn man glaubt zu sterben.

Sich tot stellen

ist bei Säugetieren dazu da, das Überleben zu sichern, z. B. einen betäubten Bewusstseinszustand hervorzurufen, in dem körpereigene Endorphine ausgeschüttet werden, die den Schmerz stillen. Häufig findet in diesem betäubten Zustand auch eine Dissoziation statt, in der die Person die eigenen Erlebnisse so erlebt, als stößen sie einer anderen Person zu. So kann das eigentlich Unerträgliche erträglich gemacht werden.

Wenn wir in eine belastende Situation geraten, stehen uns normalerweise drei verschiedene Verhaltensweisen zur Verfügung: Angriff, Flucht oder Erstarrung (Im Zusammenhang mit Trauma spricht man von der fight flight freeze Reaktion). In jedem Fall aber werden in der Situation Stresshormone ausgeschüttet. Diese Stresshormone bleiben so lange aktiv, bis die Situation integriert und aufgelöst werden kann. Ist das nicht der Fall, kommt es entweder zu

Flashbacks (Momente sensorischer Erinnerung) oder Reinszenierungen,

die beide jeweils wieder neue Stresshormone freisetzen. Dies führt dazu, dass es bei traumatisierten Menschen einerseits sehr lange dauert, bis Stresshormone abgebaut werden und der Körper in einen Normalzustand kommen kann. Andererseits steigt der Stresspegel auch bei relativ geringen Anlässen sehr schnell wieder sehr hoch an. Trauma wird also im Körper gespeichert.

Trauma verändert unser Gehirn und unseren Körper Zu Silvester in den Rauhnächten feiert man den Übergang vom alten in das neue Jahr

Aber das ist noch längst nicht alles. Durch ein Trauma verlieren wir häufig auch die Verbindung zu uns selbst, die vor allem durch den Körper stattfindet. Wir verlassen durch Trauma unseren Körper, wir verlernen, auf unseren Körper zu hören, wenn uns der Körper Signale sendet über unsere Empfindungen, die wir möglicherweise aber nicht haben wollen. Genauso wenig wie die damit verbundenen Gefühle wie z. B. Scham. Da fällt mir natürlich ein, dass superviele hochsensible/hochsensitive Menschen einfach hauptsächlich im Kopf sind und kaum im Körper. Es ist viel einfacher sich taub zu stellen und sich letzten Endes vor sich selbst zu verstecken. Aber die Sache hat einen Pferdefuß:  Wenn wir versuchen, die negativen Gefühle auszuschalten, schalten wir automatisch auch die schönen Gefühle mit aus.

Dieses Verhalten ist mehr als verständlich, natürlich, aber macht eigentlich überhaupt keinen Sinn. Abgesehen davon, dass wir uns von unserer Lebensfreude entfernen, verlernen wir die Fähigkeit zu unterscheiden, wann wir sicher sind und wann nicht. Außerdem entwickeln manche Menschen überhaupt Angst vor irgendwelchen Formen körperlicher Empfindungen.

Es erscheint auch logisch, dass bestimmte körperliche Symptome bei traumatisierten Menschen besonders häufig vorkommen, wie Hals- und Nackenschmerzen, Fibromyalgie, Verdauungsstörungen, Reizdarm, Asthma und chronische Erschöpfung. Und letzten Endes kann ein chronisches Trauma zu einer

Posttraumatischen Belastungsstörung

führen. Der Thalamus im Gehirn arbeitet dann nicht mehr richtig. Der Thalamus wird während des traumatischen Ereignisses und auch während Flashbacks einfach abgeschaltet. Was bedeutet, dass er dann vielleicht nicht mehr in der Lage ist, wichtige Sinneseindrücke von unwichtigen Sinneseindrücken zu unterscheiden, was wiederum bedeutet, dass wir uns

Die Hochsensibilität hat Nebennierenschwäche häufig mit im Gepäckständig im Zustand sensorischer Überlastung

befinden.

Spätestens hier wirst du sicherlich aufmerken. Denn da sind wir wieder bei den Symptomen, die Hochsensibilität u. a. ausmachen. Und auch bei der Gefahr chronischer Erschöpfung, die sich einfach aus der sensorischen Überlastung ergibt.

Die große Frage, die sich nun stellt, ist:

Was kannst du bei Trauma tun?

Vorweg: Eine Trauma Behandlung gehört ausschließlich in professionelle Hände. Bitte unternimm keinesfalls den Versuch, dein Trauma selbst zu klopfen. Das kann sehr böse ins Auge gehen – vor allen Dingen, wenn du nicht weißt, womit du es zu tun hast. Menschen, die das Klopfen noch nicht kennen, neigen oft dazu, die Intensität und Kraft der Klopfakupressur massiv zu unterschätzen. Nicht zuletzt deshalb habe ich die EFT klopftechnik für hochsensible an den Consicous EFT Ansatz von Nancy Forrester mitangepasst für den deutschsprachigen Raum mit dem Begriff Achtsames EFT. Dabei geht es darum,

Lernerfahrungen, die du in belastenden Kindheitserfahrungen gemacht hast, triggerfrei aufzulösen.

(Wenn du in der Kindheit belastende Erfahrungen gemacht hast, ist die Wahrscheinlichkeit, dass du an ein Entwicklungstrauma gemacht hast, ziemlich groß. So wird es genannt, wenn man in seiner natürlichen Entwicklung beeinträchtigt worden ist.)

So oder so führen alle Wege aus dem Trauma hinaus über den Körper.

Tendenziell geht es u. a. darum, die Verbindung zu sich selbst wieder herzustellen, lernen, dem eigenen Körper und seinen Empfindungen  wieder Vertrauen zu schenken. Es geht auch darum, das chronisch erhöhte Stresslevel zu senken. Mit regelmäßigem Klopfen kannst du das erreichen. Oder Ängste reduzieren und das Sicherheitsgefühl stärken. Das ist alles mit Klopfen möglich. Du beginnst dann sozusagen an einzelnen Auswirkungen. Aber fange  bitte ganz klein an. (Und wenn du zu denen gehörst, die eigentlich Angst davor haben, was in ihrem Körper vor sich geht, klopfe am besten eine ganze Zeitlang leer.) Und wenn du dich nicht alleine traust, das zu beginnen, komm gerne in meinen Intensivkurs (Jahreskurs).

Das war sicher nicht das letzte Mal, dass ich mich mit dem Thema beschäftigt habe. Über Trauma gibt es noch so viel zu sagen, gerade im Zusammenhang mit Hochsensibilität.

Jetzt interessiert mich natürlich, wie es dir mit diesen Informationen  geht. Vielleicht möchtest du noch etwas ergänzen, von eigenen Erfahrungen erzählen? Wie immer freue ich mich, wenn du deine Kommentare mit uns teilst.

Von Herzen, Deine

Monika Richrath

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Auch alte Wunden können heilen – eine Rezension

Auch alte Wunden können heilen – eine Rezension

Auf dieses Buch habe ich lange und ungeduldig gewartet. Dass ich es erst jetzt besprechen kann, hat mit eigenen unerwarteten Entwicklungen in meinem Leben zu tun, die mir seit letztem Jahr vor die Füße fallen. So habe ich den Erscheinungstermin des Buches verpasst, obwohl ich Dami Charf schon eine ganze Weile folge …

 Um es gleich vorweg zu nehmen: Für mich ist „Auch alte Wunden können heilen“

DAS Buch des Jahres 2019.

Weil es eine Erklärung liefert für mein ganzes Leben. Und wenn Sie hochsensibel sind (wovon ich jetzt mal ausgehe, da Sie diesen Artikel auf meinem Blog für hochsensible Menschen lesen), könnte es auch IHR Buch des Jahres werden. Auch wenn der Begriff „Hochsensibilität“ kein einziges Mal fällt. Warum also? Ich hatte ja geschrieben, dass ich Dami Charf schon eine Weile folge, immer wieder habe ich auf Ihrem Blog herumgestöbert, einige ihrer zahlreichen Videos verteile ich sogar im Netz weiter, weil sie mir so gut gefallen. Irgendwann habe ich ihr mal geschrieben und angefragt, ob sie nicht Lust hat, einen Gastbeitrag für meinen Blog zum Thema Trauma und Hochsensibilität zu schreiben. Dazu kam es damals leider nicht, weil sie mit dem Buch beschäftigt war. Schließlich veröffentlichte sie einen Videoclip, in dem sie erklärte, dass ihrer Meinung nach

Hochsensibilität durch Trauma

ausgelöst wird. Damals war ich irgendwie empört – selbst, wenn für mich auch damals schon durch die Arbeit mit meinen hochsensiblen Klient*innen ein gewisser Zusammenhang offensichtlich war. Nun, nach der Lektüre weiß ich, was sie gemeint hat damit.

„Auch alte Wunden können heilen“

ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil geht es um frühe Verletzungen und wie sie sich auf unser Leben auswirken, im zweiten Teil geht es um die 5 Lernaufgaben, die wir im Leben haben und im dritten Teil geht es um die Integration traumatischer Erfahrungen. Dabei geht es im wesentlichen weniger um Schocktraumata, die sich auf einmalig auftretende Ereignisse beziehen, sondern um sog. Entwicklungstraumata, die sich auf immer wiederkehrende Ereignisse im Zusammenhang mit Bindung beziehen und permanenten Stress auslösen. Dabei geht es z. B. darum, in welchem Bindungsmuster wir aufgewachsen sind, wie die Interaktion zwischen uns und unseren Eltern oder Beziehungspersonen ausgesehen hat, welche emotionale Färbung sie hatte usw. Ganz wichtig ist, dass es sich dabei häufig um Erfahrungen handelt, die aus dem vorsprachlichen Bereich kommen und schon sehr früh die Art und Weise prägen, wie wir uns und die Welt wahrnehmen. Von unseren Erfahrungen hängt es ab, wie gut wir später mit

den 5 Lernaufgaben zurechtkommen:

  1. Sicherheit und Willkommensein
  2. Bedürfnisse und Sattwerden
  3. Hilfe annehmen können
  4. Selbstständigkeit und Verbundenheit
  5. Liebe und Sexualität.

Für mich war

die überraschendste Erkenntnis

diese: wenn Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach problematisch sind, können die betroffenen Menschen

nicht im Leben ankommen,

sie haben dann vielleicht ihr ganzes Leben lang das Gefühl, fremd und ANDERS zu sein, empfinden sich als einsam und wertlos. Aber es geht noch weiter: Babies, die nicht wirklich willkommen geheißen wurden, gleich nach der Geburt, oder kurz danach alleine gelassen wurden oder vielleicht schmerzhafte Erfahrungen machen mussten,

ziehen sich aus ihrem Körper zurück.

Sie landen weder in sich selbst richtig, noch in der Welt. Darum gibt es später so häufig ein Problem mit Grenzen. Und darum spüren viele der Betroffenen andere Menschen viel besser als sich selbst … Kommt Ihnen das bekannt vor? Auf mich hat jedenfalls fast alles gepasst wie die Faust aufs Auge und ich habe mich beim Lesen fast ununterbrochen gewunden.

Das Buch ist sehr angenehm geschrieben. Ich fand praktisch in jedem Satz Weisheit und Erkenntnis. Nebenbei erfährt man eine Menge spannender Dinge, z. B.:

Was ist Neurozeption?

Was geschieht bei Dissoziation? Welche Symptome weisen auf ein Trauma hin? usw. Ganz besonders hat mir gefallen, dass Dami Charf auch immer wieder kleine Dinge aus ihrem Leben erzählt, das ist äußerst sympathisch und authentisch. Der Untertitel des Buches lautet: „Wie Verletzungen aus der Kindheit unser Leben bestimmen und wie wir uns davon lösen können.“ Eins ist sicher:

Das geht nur über den Körper.

Darin sind sich Traumaforscher offenbar einig. Das Vermeidenwollen von Schmerz führt zur Abspaltung des Körpers und zu Anspannung. Dies führt aber leider langfristig zu einer Abkopplung von Lebendigkeit überhaupt.

Es gilt sich die Lebendigkeit zurückzuerobern.

Durch bewusste Körperwahrnehmung über alle Sinne z. B. Das klingt nach einem langen und mühseligen Prozess, aber nach allem, was ich über Traumaforschung bisher erfahren und gelernt habe, gibt es keinen anderen Weg. Klopfen, bzw. die Klopfakupressur ist übrigens auch eine Form der Körperarbeit.

Mein einziger Kritikpunkt 

für dieses Buch liegt in seinem Ende. Nirgendwo erklärt Dami Charf genau, wie die Methode Somatic Experiencing, mit der sie arbeitet, eigentlich aussieht. Das zu wissen wäre auf jeden Fall interessant gewesen. Und ich hatte das Gefühl, dass sie selbst sich in diesem letzten Kapitel zurückzieht, irgendwie verschwindet, das fand ich auch schade, aber eher für die Autorin.

Trotzdem empfehle ich Ihnen das Buch ganz uneingeschränkt. Ich bin sicher, Sie werden den größtmöglichen Nutzen für ihr Leben daraus ziehen …

Wie ging es Ihnen beim Lesen dieses Buches? Wie immer freue ich mich über Ihre Kommentare.

Herzliche Grüße, Ihre Monika Richrath

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7 Unterschiede – Traumatisierung oder Hochsensibilität

7 Unterschiede – Traumatisierung oder Hochsensibilität

Es gibt zwei Arten der Hochsensibilität …

  • Die eine ist genetisch bedingt und angeboren. Die „echte Hochsensibilität“. Diese ist nicht ablegbar genau wie die Augenfarbe.
  • Die zweite entsteht durch Traumatisierung. Die erhöhte Sinneswahrnehmung und auch der Hang zur Überreizung gehen zurück, wenn das Trauma verarbeitet ist.

Eine These, die zurzeit im Internet grassiert, besagt, die Hochsensibilität sei immer auf ein Trauma zurückzuführen ist. Einige meiner Seminarteilnehmer sind dadurch sehr verunsichert und suchen nach einem Trauma, wo eventuell gar keins ist.

Gleichzeitig ist diese These, wenn man sich genau mit Hochsensibilität auseinandergesetzt hat genauso nahe liegend – aber falsch. Warum? In vielen Aspekten haben die Hochsensibilität und die Auswirkungen von Traumatisierungen das gleiche Gesicht.

Das Modell des Stresstoleranzfensters erklärt die Zusammenhänge

Jeder Mensch hat eine emotionale Komfortzone. Wie groß diese Komfortzone ist, hängt zu einem großen Teil von unserer Fähigkeit der Selbstregulation ab. Also davon, wie gut wir mit Über- oder Unterstimulation umgehen können. Schaffen wir es nicht, uns bei Überstimulation zu regulieren, läuft unsere Hormonproduktion auf Hochtouren und unser Körper reagiert mit Flucht oder Kampfimpulsen.

Beispiel: Wenn ich im Winter dick angezogen in ein Kaufhaus gehe, wird es mir sehr schnell unerträglich warm. Einfach die dicken Sachen ausziehen, ist nicht immer möglich, wenn ich schon einiges an Taschen trage. Ich fange an zu schwitzen, es fängt überall an zu jucken und meine Kleidung fühlt sich tonnenschwer an. Da ich in diesem Geschäft unbedingt etwas besorgen will, bleibt mir im Moment nur, die Situation auszuhalten. Ich habe also subjektiv nicht die Möglichkeit mein Unbehagen zu regulieren. Es dauert keine 5 Minuten und meine Adrenalinproduktion ist in Gang gesetzt. Da ich mir die Flucht verwehrt habe, komme ich in den Kampfimpuls. Besser, wenn man mir dann nicht in die Quere kommt.

In diesem Moment ist meine Komfortzone überschritten und ich rase in die Übererregung. Komme ich dann wieder in angenehmere Gefilde dauert es ungefähr 5 Minuten, und ich habe mich akklimatisiert. Nach meiner Erfahrung benötigt ein traumatisierter Mensch wesentlich länger um sich zu beruhigen.

Hochsensible haben genetisch bedingt ein schmaleres Stresstoleranzfenster, damit sie schneller auf Reize reagieren können. Dies dient zur Erhaltung der Art und findet sich auch bei allen höheren Säugetieren. Auch bei Ihnen sind, wie beim Menschen, ca. 20 Prozent hochsensibel.

Auch traumatisierte Menschen haben ein schmaleres Stresstoleranzfenster und gelangen leicht in die in die Über- oder Untererregung. Gleichzeitig gibt es große Unterschiede zwischen „reinen“ Hochsensiblen und traumatisierten Menschen. Selbstverständlich kann auch ein hochsensibler Mensch traumatisiert sein. In vielen Fällen ist das so. Dazu später mehr.

Es ist immens wichtig als Therapeut beides unterscheiden zu können, da der (reine) Hochsensible und der traumatisierte Mensch ein anderes therapeutisches Vorgehen benötigen. Hier kann Unwissenheit viel Schaden anrichten.

Ich habe 2007 meine erste Trauma Ausbildung gemacht. Seitdem habe ich mich sehr intensiv mit Trauma und Hochsensibilität auseinandergesetzt. Folgende Unterschiede resultieren aus meinen Beobachtungen und Erfahrungen.

 

Traumatisierte Menschen:

 

Hochsensible Menschen:

sind oftmals permanent in Bewegung. Sie tun alles, um nicht zur Ruhe zu kommen, da das für sie ein unangenehmer Zustand ist. Häufig werden sie im Urlaub krank, weil der Organismus dann kollabiert und er von der Übererregung in die Untererregung rauscht. suchen die Ruhe. Sie brauchen Zeit, gerne auch allein, ohne Input. Diese Zeiten genießen sie. Wenn sie diese Zeiten nicht bekommen, fühlen sie sich unbehaglich. Durch „Auszeiten“ kommen sie wieder in ihre Kraft.
haben eher eine egozentrische Empathie, die darauf abscannt, ob Gefahr droht. Das hält andere eher auf Distanz. haben „echte“ Empathie, durch die sich andere gesehen und verstanden fühlen.
haben oft wenig bis gar kein Körpergefühl. Sie können Köperempfindungen nur schwer wahrnehmen und benennen. haben ein extrem gutes Körpergefühl. Sie haben ein ausgeprägtes körperliches Frühwarnsystem. Hochsensible Frauen können oft Ihren Eisprung spüren und viele schildern, dass sie den Zeitpunkt der Eiverschmelzung gespürt haben und wussten, dass sie nun schwanger sind. Sie nehmen sehr differenziert Empfindungen wahr und können diese auch benennen.
neigen zur Selbstmedikation zur Beruhigung; zum Beispiel durch Alkohol oder Medikamente. tendieren eher dazu, sogar ärztlich verschriebene Medikamente nicht zu nehmen und trinken häufig gar keinen oder nur wenig Alkohol.
fühlen sich häufig allein (zum Teil auch in Gesellschaft) mit einem Gefühl der Einsamkeit. sind gerne allein, weil sie dann besser zu sich kommen.
nehmen ihr “Bauchgefühl“ nicht wahr. nehmen ihr Bauchgefühl wahr, aber leider nicht immer ernst.
Wenn Sie noch mehr Unterscheidungsmerkmale wissen möchten klicken Sie hier:

 

Das waren nur einige der Merkmale, woran man Hochsensibilität und Trauma unterscheiden kann. In den Situationen, in denen die Komfortzohne verlassen wird, sind die Reaktionen identisch.

Die Hochsensibilität führt dazu, dass das Stresstoleranzfenster schneller verlassen wird als bei Normalsensiblen. Das ist mit den Auswirkungen einer Traumatisierung deckungsgleich.

In über 200 Seminaren zur Hochsensibilität wiederholte sich die grundlegende Teilnehmerstruktur immer wieder.
Ein Teil der Teilnehmer sind Hochsensible, die einfach Interesse daran haben mehr über sich zu erfahren (auch eine typische Eigenschaft der Hochsensiblen). Außerdem möchten Sie einige Dinge in ihrem Leben optimieren. Sie sind mit ihrem Leben und ihrem Sein generell zu frieden.

Ein Teil hat Schwierigkeiten mit einigen Herausforderungen, die die Hochsensibilität bietet, führen aber generell ein befriedigendes, glückliches Leben.

Und ein Teil leidet sehr stark unter der Hochsensibilität. Bei diesen Menschen ist eine Traumatisierung sehr wahrscheinlich. In dieser Gruppe finden sich Hochsensible und Normalsensible, die Ihre Trauma-Auswirkungen fälschlich als Hochsensibilität interpretieren oder von anderen diese Interpretation erhalten haben.

Was genau ist ein Trauma?

Es gibt verschiedene Arten von Trauma. Auf zwei gehe ich hier näher ein.

Das Schocktrauma

ist das allgemein geläufige Trauma. Hier gab es eine einmalige Situation, zum Beispiel einen Unfall als Auslöser.

Die Negativerfahrung ist im Gehirn gespeichert. Unser Organismus möchte uns nun vor weiteren Erfahrungen dieser Art schützen und geht hormonell auf „Hab-Acht-Stellung“. Die Folge ist eine innere Wachheit, die sich häufig in Unruhe und Anspannung, und eine erhöhte Reaktion auf Sinnesreize zeigt. Gibt es dann später einen Reiz, der an diese Situation erinnert (Trigger), werden wir emotional aus dem Stresstoleranzfenster geschleudert und reagieren mit heftigen Angriff/Flucht-Reaktionen (Der Sympathikus wird aktiviert. Das Stresstoleranzfenster wird überschritten) oder wir kollabieren (Der Parasympathikus wird aktiviert, wir gehen nervlich unter das Stresstoleranzfenster).

Nach der Verarbeitung des Traumas gehen die Betroffenen wieder auf ihr ursprüngliches Erregungs- und Sinneswahrnehmungsniveau zurück.

Das Entwicklungstrauma oder auch Komplextrauma

Hier ist der Betroffene wiederholt durch toxischen Stress überfordert. Das Vorderhirn und der Hippocampus schalten sich ab und wir reagieren instinktiv mit archaischen Verteidigungsreaktionen. Das Entwicklungstrauma konkretisiert eigentlich den Begriff des Komplextraumas, da es sich speziell auf unsere Erfahrungen im frühen Kindesalter bezieht.

  • Wie werden wir erzogen?
  • Was prägt uns in dieser Zeit?
  • Wie ist die Bindung zu den Bezugspersonen?

Gerade wenn wir im ersten Lebensjahr mit ständigen negativen Erfahrungen aufwachsen, erleben wir das als toxischen Stress. Dieser Stress hat in der Regel ein Entwicklungstrauma zur Folge.

Toxischer Stress kann entstehen durch:

  • Gewalterfahrungen, psychischer und physischer Art.
  • Überbehütung
  • Erziehung zur Angst (die Welt da draußen ist schlecht, nur hier bist du sicher)
  • Zwanghaftes Umfeld
  • Sehr rigide Erziehung
  • Verwahrlosung
  • Permanente Grenzüberschreitung
  • Fehlendes Spiegeln der kindlichen Wahrnehmung und der kindlichen Gefühle
  • Keine Unterstützung der Stressregulation durch die Eltern (z.B. das Baby schreien lassen)
  • Fehlender Kontakt – körperlich und emotional. Viele Menschen können sich nicht mehr angemessen mit ihrem Kind

beschäftigen. Ihnen fehlen selbst die entsprechenden Erfahrungen.

Erziehung ist ein Abbild aus unseren Erfahrungen und Möglichkeiten.

Unsere Erziehung ist immer noch geprägt aus den Vorstellungen des dritten Reiches. Babys sollte man schreien lassen, damit sie lernen sich selbst zu regulieren und den Eltern nicht auf der Nase rumtanzen. Die damals propagierte Erziehung war eine Anleitung zur Bindungsunterbrechung und damit zur frühkindlichen Traumatisierung.

Leider halten sich einige extrem schädigende Ehrziehungsvorstellungen bis heute noch hartnäckig. Eltern, die Ihre Kinder wie oben genannt behandeln, tun das nicht, weil Ihnen ihre Kinder egal sind. Sie selbst sind geprägt von ihrer eigenen Geschichte, ihren Bindungserfahrungen und ihrem Wissen. Viele sind selbst traumatisiert. Jeder erzieht nach seinen Möglichkeiten. Bei einigen sind diese Möglichkeiten einfach begrenzt.

Das kann ein tröstender Gedanke sein. Das Handeln meiner Eltern ging nicht gegen mich, sie konnten es nicht besser. Und auch wenn man selbst erzieht, kann dieser Gedanke entlastend sein. Die meisten Hochsensiblen wollen gerne alles richtigmachen. „Fehler“ in der Erziehung machen ihnen oft sehr zu schaffen. Auch das Kind braucht Erfahrungen, an denen es wachsen kann. Es ist wichtig zu erleben, dass die Eltern nicht unfehlbar sind. So kann es die eigene Unfehlbarkeit besser annehmen. Ist ein Elternteil traumatisiert, wird das Trauma häufig an das Kind weitergegeben. Um das zu verhindern, ist es meines Erachtens wichtig das Trauma zu bearbeiten.

Wo sehen sie sich nach diesem Text? Hochsensibel, traumatisiert oder beides? Geht die Tendenz in Richtung Trauma?
Ein Trauma ohne Unterstützung aufzulösen, ist kaum möglich. Hier braucht es kompetente Unterstützung; für ein zufriedenes, glückliches Leben. Leider ist gerade das Annehmen von Hilfe für viele traumatisierte Menschen sehr schwer.

Hochsensibilität und Trauma zusammengefasst:

  • Es gibt Hochsensible, „nur“ traumatisierte und hochsensible, traumatisierte Menschen.
  • Leiden sie sehr stark unter der Hochsensibilität, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie traumatisiert sind groß.
  • Viele Hochsensible sind „nur“ traumatisiert. Sie sind durch das Trauma übersensibilisiert, aber nicht hochsensibel im eigentlichen Sinne.
  • Man unterscheidet zwischen Schock- und Entwicklungstrauma.
  • Um Traumatisierungen aufzulösen, braucht es kompetente therapeutische Unterstützung.

Dies ist nur ein kleiner Einblick in ein sehr komplexes Thema. Ich schreibe gerade ein Buch über das Thema Hochsensibilität und Trauma. Es wird Ende des Jahres erscheinen.

Des Weiteren werde ich ein entsprechendes Onlineseminar anbieten. Vielleicht haben Sie ja auch Interesse, noch mehr über das Thema zu erfahren.

Ich wünsche Ihnen alles, was sie für ein befriedigendes und glückliches Leben brauchen. Es ist nicht immer einfach, aber es ist machbar. Gönnen Sie sich Zeit.

Herzliche Grüße
Sandra Quedenbaum

Sandra Quedenbaum

Sandra Quedenbaum

Sandra Quedenbaum Coaching

Erzieherin Sozialpädagogin Heilpraktikerin für Psychotherapie. NLP-Lehrtrainerin Systemische Familienberaterin Marte Meo Therapeutin iEMDR Coach
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