Wo leben im Alter?

Wo leben im Alter?

 In der letzten Zeit kommt im Gespräch mit anderen gleichaltrigen Menschen häufig die Frage auf, wie und wo wir im Alter leben sollen?

Vor kurzem war ich auf einem Gartenfest eingeladen, wo ich mehrere Menschen kennen gelernt habe. Wir haben uns sofort verstanden (ich nehme an, wir waren alle ähnlich sozialisiert).  Klopfen, Yoga, Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung waren ganz normale Themen, die unsere Unterhaltung streiften. Ich habe mir natürlich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, aber ich war dann doch ein wenig geschockt, zu erfahren, dass alle mehr oder weniger um die 60 Jahre alt waren. Was ich keinem zugeschrieben hätte.

Dabei werde ich selbst in ein paar Monaten 60 Jahre alt.

Aber immer, wenn ich an einem Spiegel vorbeikomme, denke ich: „Du? 60? Never!“ Diese Zahl scheint so gar keinen Bezug zu mir zu haben. Ich weiß noch, dass ich mit 30 dachte, die Hälfte meines Lebens ist jetzt vorbei! Und früher waren Menschen mit 60 alt.  So habe ich sie zumindest wahrgenommen. Alte Menschen haben (in meinen Augen) ganz abwegige Dinge getan (sowas wie sich für den Blauen Bock und das Musikantenstadl interessiert).  Aber wir sind heute eben anders alt oder älter als die Menschen früher.

ALT fühle ich mich schon gar nicht.

Nicht mal ÄLTER. Eigentlich fühle ich mich wie gerade erst im Leben angekommen. Als hätte ich gerade erst an der Oberfläche dessen gekratzt, was möglich sein könnte. Ich habe wenig Lust, mich jetzt schon damit zu befassen, was in 10 Jahren sein wird. Vorzusorgen. Erste Schritte zu unternehmen. Solange ich es noch gut bis in die 3. Etage schaffe, ist doch alles gut oder?

Als Kind hatte ich in dem Alter zwischen 7 bis 10 Jahren eine Zeitlang furchtbare Ängste,

ich könnte qualvoll sterben im Alter

und habe deswegen den lieben Gott gebeten, mich, wenn es soweit wäre, sanft entschlafen zu lassen. Heute weiß ich, dass ich da schon verdammtes Glück haben müsste, denn dass wir krank zu werden scheinen und uns die ganze Zeit elend dahinschleppen (wenn wir das überhaupt noch schaffen und nicht bettlägerig werden) oder

pflegebedürftig werden,

ist heute wohl eher die Norm als die Ausnahme. In meinem Freundeskreis ist es jedenfalls fast ausnahmslos so. Und wenn es keinen körperlichen Verfall gibt, hat man es statt dessen mit geistigem Verfall zu tun, was kein Deut besser ist.

Es ist schon klar, dass ich alles daran setze, dass es bei mir nicht so sein wird. Aber ich möchte nicht so überheblich sein, zu behaupten, dass mir das nicht passieren wird. Ich weiß das ja gar nicht. Dass man sein Leben daran ausrichtet, andere zu unterstützen bedeutet nicht zwangsläufig, dass man selbst verschont bleibt. Ich muss immer daran denken, dass Colin Tipping z. B. an Krebs gestorben ist – und er hat so Tolles geleistet für die Welt! Ich kann es also auch nur versuchen. Wie erfolgreich ich damit sein werde, weiß ich erst später.

Meine Mutter ist 2016 an ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) gestorben. 

(Mehr darüber kannst du in diesem Artikel erfahren.) Das hat mir eine ganz nüchterne Sicht darauf verschafft, was körperlicher Verfall bedeutet und welche Konsequenzen sich daraus ergeben. 

Dabei hatte meine Mutter noch wahnsinniges Glück, sie bekam einen Platz in einer Intensivbetreuung, hatte eigene vier Wände und wurde trotzdem betreut. Außerdem hatte sie noch fünf Kinder, die sich darum kümmerten, es ihr in der verbleibenden Zeit so gut wie möglich schön zu machen.

Nun, ich habe keine fünf Kinder. Nicht mal eins. Es gibt also niemanden,

der sich dann um mich kümmern würde.

Im Falle meiner Mutter war es ja so, dass die „richtige“ Pflege von Fachpersonal durchgeführt wurde und trotzdem waren wir fünf Kinder mit dem Rest ziemlich überfordert. Meine Mutter hat dann wenig mehr als sich selbst gesehen. (Ich denke, das ist eine Traumafolge nichtverarbeiteter Kriegserlebnisse und hochsensibel war meine Mutter übrigens auch.) Die Lebenserwartung mit ALS ist recht kurz, aber zwei Jahre waren doch mehr als genug um den Beschluss zu fassen, dass ich nicht möchte, (falls ich mich noch einmal verlieben sollte), dass meine Partnerin ihr eigenes Leben für meines aufgeben muss.

Ein konventionelles Altenheim ist überhaupt keine Option.

Was wäre dann mit meiner Hochsensibilität? Was wäre mit meinen Nahrungsmittel-unverträglichkeiten? Was wäre mit meiner Würde? Ich habe zu schreckliche Dinge gehört/gesehen/mitbekommen. 

Siechtum ist sowieso keine Option. (Es kann natürlich sein, dass ich, wenn es soweit sein wird, mich doch mit aller Kraft ans Leben klammere, ich glaube es aber nicht). Ich kann nur hoffen, bitten, beten, dass ich immer genug Klarheit habe, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen.

Eigentlich träume ich von einer Hausgemeinschaft für Alte.

Jede hat ihren eigenen Raum. Wir teilen uns die Pflegekräfte (das ist bestimmt billiger) und wir haben trotzdem ein Maximum an Autonomie. Aber wann ist man denn alt? Neulich habe ich jemanden in einer Wohnanlage besucht, die explizit angelegt ist für eine Klientel ab 50+. Das war ein sehr komisches Gefühl.

Ich weiß weder, wer dieser Hausgemeinschaft angehören sollte, noch, wo ich wirklich leben will. Vor kurzem ist bei mir noch einmal der Wunsch aufgewallt, in ein ganz anderes Land zu ziehen. Aber ganz allein ist das jetzt auch nicht sehr attraktiv. Zumal ich ja herausgefunden habe, dass ich gut darin bin, Gemeinschaft zu stiften und diese auch selbst brauche. Ich stelle mir vor, dass es einfacher sein wird, mit den Macken anderer zurecht zu kommen, die ich noch nicht kenne, als mit den Macken meiner Freundinnen.

Richtige Lust auf ein „Projekt“ habe ich übrigens auch nicht.

Schon beim Gedanken an mögliche Projekttreffen stehen die 80er Jahre mit den vielen endlosen Plenumssitzungen wieder auf und ich werde ganz matt. Am liebsten wäre mir, ich könnte irgendwo einsteigen.

Am Anfang dieses Artikels war ich noch ein wenig ratlos. Schreiben hilft wirklich! Ich werde jetzt also langsam mal anfangen, mich zu erkundigen, was es für Projekte gibt, wie so etwas aussieht und falls du, liebe Leserin, lieber Leser in der Altenpflege tätig bist und/oder solche Projekte kennst, schreibe mir bitte (gerne auch in die Kommentare).

Es schadet ja nichts, wenn ich das ganz locker in Angriff nehme. Ich freue mich, wie immer von dir zu hören. Wo willst du im Alter leben?

Von Herzen,

 

 

 

 

P. S. Dieses Foto hat meine Ex-Partnerin übrigens mit Face App erstellt. Und das ist total krass, weil ich sehe aus wie ich. Aber ich sehe auch genauso aus wie meine Mutter …

Mutterlos

Mutterlos

Vor ziemlich genau 5 Jahren ist meine Mutter gestorben. Seit ihrem Tod hat sich unser Verhältnis zueinander immer wieder verändert und gewandelt. Grund genug um einmal eine Art Zwischenbilanz zu ziehen. Möglicherweise bin ich auch nach fünf Jahren immer noch nicht „am Ende“ angekommen. Ich habe so viel gelernt über Hochsensibilität im letzten Jahr, aber auch über Trauma und es ist unmöglich für mich, beides voneinander zu trennen. Das liegt sicher an den belastenden Kindheitserfahrungen.

Mein Verhältnis zu meiner Mutter war immer sehr schwierig.

Sehr beladen mit unausgesprochenen und unaussprechlichen Dingen. Ich habe ihr immer irgendwie gegrollt, jahrzehntelang, ohne genau zu wissen, warum. Im Nachhinein denke ich, dass meine Mutter diesen Groll auch gespürt haben muss. Allerdings wurde er nie thematisiert. Wenn ich eins von meiner Mutter gelernt habe, dann das, wie man Dinge ausschweigt.

Immer habe ich das Gefühl gehabt, um meine Geburt ranke sich ein Geheimnis. Als Kind und Jugendliche habe ich oft das Gefühl gehabt, gar nicht zur Familie zu gehören, vielleicht bei der Geburt vertauscht worden zu sein. (Vielleicht kennen andere hochsensible Menschen das Gefühl, dass da keine Liebe ist, ja auch?) Vielleicht war mir schon

sich auf das neue Baby freuen war für meine Mutter nicht möglichals Kind bewusst, dass etwas fehlte, dass ich einsam war.

Einmal haben wir (einige meiner Geschwister und ich) unsere Mutter gefragt, für wieviel Geld sie uns verkaufen würde. Weiß der Geier, wie wir darauf kamen. Meine Mutter hat gelacht und gesagt, sie würde uns niemals verkaufen, wir seien doch ihr Liebstes auf der Welt. Ich weiß noch genau, wie erleichtert ich da war. Wie sich ein gewisser emotionaler Stress auflöste. „Sie liebt uns also doch“ habe ich gedacht. Ich hatte zwar nicht wirklich angenommen, dass sie uns verkaufen würde, aber offenbar habe ich mich in meinen ersten Kindheitsjahren emotional in einer Art Niemandsland bewegt.

Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich damals war. Vielleicht sieben oder acht Jahre, nicht mehr klein und noch nicht groß. Aber in gewissem Sinne hatte ich überhaupt keinen festen Boden unter den Füßen. Bis zu diesem Moment hatte es schon mehrere schwerwiegende Bindungsabbrüche gegeben.

Heute denke ich, dass diese Zeit vor allem

durch Bindungslosigkeit und Verbindungsstörungen geprägt

war. Demzufolge hatte ich überhaupt keine Vorstellung davon, was ich anderen Menschen bedeuten könnte.  Bis Mitte 40 (bevor ich die Klopfakupressur und Klopfen entdeckte), war ich mir überhaupt nicht sicher, dass überhaupt jemand, irgendjemand zu meiner Beerdigung kommen würde.

Heute weiß ich, dass dieses Gefühl einer (vielleicht krankhaften?) Bindungslosigkeit u. a. auch daher rührt, dass es bis auf den einen, eben erwähnten Augenblick, niemals ganz direkte Liebesbezeugungen gab. Nie habe ich so etwas gehört wie „Ich hab dich lieb.“ Das hat Spuren hinterlassen.

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht,

ob sich diese Wunde jemals wirklich schließen wird.

Vor kurzem habe ich noch einmal den Film „Lion“* gesehen, den ich sehr mag. Jedes Mal heule ich Rotz und Wasser. Vor allem weil Saroo, um dessen Lebensgeschichte es hier geht (durch unglückliche Umstände von seinem Heimatland Indien nach Tasmanien verschlagen, wo er adoptiert wird) sich sein ganzes Leben lang der überschwänglichen und grenzenlosen Liebe seiner biologischen Mutter bewusst bleibt. Eine Liebe, die ich von meiner Mutter nicht bekommen habe.

Trotzdem haben sich Dinge verändert.

Ich habe meinen Groll losgelassen. Das ist ganz automatisch ohne mein Zutun geschehen, durch die Krankheit meiner Mutter.In der Hochsensibilität spielt Stress in der Pflege eine besondere Rolle

Ich habe herausgefunden, dass es keine Geheimnisse gibt um meine Geburt. Nur Überforderung im Alltag. Und eben auch, dass meine Mutter sich  aufgrund der Überforderung weder über die Schwangerschaft, noch auf mich gefreut hat. Vielleicht wollte meine Mutter mich auch nicht, das kann ich nicht mehr herausfinden. Und das will ich auch gar nicht genau wissen. Das, was ich weiß, ist schon schwierig genug für mich.

In den vergangenen fünf Jahren habe ich natürlich versucht, klarzukommen, mit dem, was ich herausgefunden habe. Das Tool meiner Wahl war dabei Matrix Birth Reimprinting von Sharon King (über das du auf meinem Blog mehrere Artikel finden kannst) und ich habe mir dazu professionelle Hilfe gesucht.

 Image by Schmidsi from Pixabay

Ein sehr wichtiger Teil von Matrix Birth Reimprinting ist es, dass man die Umstände seiner Geburt verändert und ich habe davon reichlich gebraucht gemacht. Zum Beispiel kam ich in einer wahnsinnig gemütlichen Baumhöhle zur Welt. Ähnlich wie die Wohnung von Kaninchen in Winnie the Poo, mein Vater, meine Geschwister sind alle da. Ich konnte ein Bonding direkt nach der Geburt mit meinem Vater nachholen, aber mit meiner Mutter gab es kein Bonding. Und ich habe über mehrere Jahre hinweg mehrere Sitzungen gehabt.

Zuguterletzt habe ich mich entschieden, noch einmal geboren zu werden und

neu geboren werden in einem baumhaus

Image by Schmidsi from Pixabay

mich selbst in Empfang zu nehmen.

Meine Mutter einfach loszulassen. Das war eine wunderschöne Sitzung, die in mir sehr viel verändert hat. Ich war so erleichtert. Danach hatte ich auch nicht mehr das Bedürfnis, dieses Thema zu bearbeiten.

Allerdings arbeitet es offenbar noch im Unterbewusstsein oder im Unbewussten. Vor einiger Zeit habe ich ja begonnen, mich endlich mit den traumatischen Ereignissen meines Lebens zu beschäftigen. Das führt offenbar dazu, dass ich das Gefühl habe, ich hätte überhaupt nie eine Mutter gehabt! Und dass mir das Gefühl trotz einer großen Familie allein zu sein, sehr präsent ist. Darum fühle ich mich gerade sehr mutterlos.

Natürlich habe ich auch Dinge von meiner Mutter bekommen. Sehr gute Dinge. Sie hat immer unsere Kreativität gefördert. Interesse an Kunst geweckt. Interesse an allem. (Heute glaube ich, dass meine Mutter eine Scannerin war.) Und sie hat mir diese wahnsinnigen spirituellen Erfahrungen geschenkt, die ich mit ihrem Tod und Sterben machen konnte. Erfahrungen, die mich auf immer verändert haben.

Aber es bleibt auch dabei, dass ich erst nach ihrem Tod das Gefühl hatte, jetzt wirklich frei zu sein, mein eigenes Leben zu leben. Das Leben ist wirklich voller Überraschungen.

Es kann natürlich sein, dass sich das alles noch einmal ändert, aber im Augenblick fühlt es sich nicht so an für mich.

Wie geht es dir mit deiner Mutter? Kennst du ähnliche Gefühle? Wie immer freue ich mich, wenn du mir schreibst.

Von Herzen,

Unterschrift Monika Richrath

Bild von Free-Photos von Pixabay 

 

Die Angst vor dem Leben

Die Angst vor dem Leben

Eigentlich wollte ich so wenig wie möglich über Corona schreiben. Ich habe versucht, mich mit der allgemeinen Lage zu arrangieren und entspannt zu bleiben. Im Großen und Ganzen ist mir das auch ganz gut gelungen. Meine Angst hält sich in Grenzen. Aber das Jahr hat natürlich auch an mir gezerrt. Und während ich dies schreibe, steht schon wieder ein neuer Lockdown bevor. Aber es hat mich irgendwie gedrängt, diesen Artikel zu schreiben, denn es geht dabei auch um Aspekte, die Hochsensibilität berühren.

Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen aussieht, aber bei mir ist es so, dass sich Corona-bedingt mein soziales

Umfeld auf eine so krasse Art und Weise verändert

hat, wie ich es mir nie hätte vorstellen können.  Und das hat im Wesentlichen damit zu tun, wie Menschen Corona begegnen. Es ist ziemlich interessant, welche neuen Seiten an anderen Menschen sich durch die Pandemie offenbaren. Ganz unerwartet tun sich Abgründe auf. Menschen, von denen ich mir so etwas nie hätte vorstellen können, reagieren für meine Begriffe seltsam oder ziehen sich zurück.

Letzten Endes läuft es darauf hinaus, dass sich mein Freundeskreis vollkommen neu ausrichtet und jetzt zweigeteilt ist: einen kleinen Teil, der

keine Angst hat, andere Menschen zu treffen

und ein sehr großer Teil, der sich abschottet und niemanden treffen will (manche meiner Freundinnen habe ich tatsächlich seit über einem Jahr nicht mehr gesehen) aus Furcht, sich anzustecken.

Natürlich komme ich auch immer wieder in Situationen, wo diese Angst in mir lebendig wird (z. B. im Waschsalon, oder im Supermarkt, ganz zu schweigen von der winzigen Poststelle) aber im Großen und Ganzen konnte ich bislang halbwegs gelassen mit der Situation umgehen.

Das liegt vor allem daran, dass ich

keine Angst vor dem Tod

habe. (Womit ich Ihnen aber keinesfalls vermitteln möchte, dass ich Schutzmaßnahmen usw. für sinnlos halte.)

Zum einen glaube ich daran, dass ich den Zeitpunkt und die Art meines Todes sowieso schon festgelegt habe in der Matrix. Und ich bin bereit, ihn anzunehmen, wenn es soweit sein wird – das hoffe ich zumindest.

Zum anderen – und das ist viel, viel wichtiger: wenn ich gehen muss, werde ich es nicht bedauern müssen, denn ich habe mein Leben gelebt. Ich habe aus meinem Leben das Allerbeste herausgeholt, was mir möglich war.

Vor kurzem habe ich sogar noch einmal eine ganz wunderbare Bestätigung dafür bekommen. Im Rahmen eines Online-Kongresses wurde ich noch einmal auf  das Human Design System gestoßen, womit ich mich vor sehr, sehr langer Zeit einmal beschäftigt hatte. Bevor ich überhaupt mit meiner Selbstständigkeit begonnen habe. Jedenfalls hatte ich mir damals ein Reading geleistet. Jetzt habe ich die Unterlagen noch einmal hervorgeholt und konnte gar nicht glauben, was ich da las:

Ich bin eine 4/6. „Das sind Menschen, die andere und die Welt beobachten um herauszufinden, was wertvoll zu kommunizieren ist und andere dadurch beeinflussen“.

Das war ein Gänsehautgefühl.

Ich bin angekommen, ich habe meinen Platz gefunden. Den, der für mich bestimmt ist. Und das bedeutet letzten Endes auch, dass der Blog erstmal das Wichtigste ist, das Medium, in dem ich diese Bestimmung umsetzen kann. Ich habe meine Arbeit mit ganz neuen Augen gesehen.

Wenn Sie diesem Blog folgen, wissen Sie ja schon, dass meine Startbedingungen äußerst ungünstig waren.

Sicher, manche Dinge, die ich gerne machen wollte, werde ich wohl nie mehr tun in diesem Leben. Dinge, wie Fallschirmspringen oder einen Roman schreiben. Das ist letzten Endes aber unwichtig.

Wichtig ist, dass ich meinen Platz im Leben gefunden habe, und versuche, ihn so gut wie möglich auszufüllen. Falls ich also unerwartet „abtreten“ müsste, gäbe es keinen Grund zur Reue. Ich habe getan, was ich konnte, um mein Leben zu leben.

Und da kommen wir wieder zurück zu der Angst vor Ansteckung.

Ich glaube,

die Angst vor dem Tod ist die Angst vor dem Leben.

So viele  Menschen fürchten sich eigentlich vor dem Leben. Es ist ein Phänomen, das unter hochsensiblen Menschen ziemlich weit verbreitet ist. Aus Furcht vor Überwältigung und grundsätzlichem Stress ziehen sich viele hochsensible Menschen so weit wie möglich zurück, nehmen nur ganz am Rand am Leben teil.

Erst einmal sieht das aus wie eine ganz probate Überlebensstrategie, weil sie vor Stress und Überforderung schützt, letzten Endes ist es aber eher eine Falle, eine Grube, die man sich selbst gräbt. Denn das Bedauern darüber, sein eigenes Leben zu verpassen ist immer da.

Durch Corona bekommt das nun eine ganz neue Dimension. Denn nun gibt es noch die Bedrohung, dass das nicht gelebte Leben vielleicht aufgegeben werden muss, bevor man seinen Platz gefunden, sich ausgelebt hat. Das eigene Leben verpasst zu haben.

Beim diesjährigen Heal-Summit habe ich erfahren, dass 95 % aller Krankheiten durch Stress entstehen.

Hochsensibilität bringt fast immer ein chronisch erhöhtes Stresslevel mit sich und der entsteht vornehmlich durch unsere Beziehung zu unserer Umwelt.

Wenn es eine Sache gibt, die an Corona gut ist, dann die, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, dadurch, dass so viele äußere Ablenkungen wegfallen, uns mit uns selbst zu beschäftigen. Ob wir nun krank sind oder nicht:

Persönlichkeitsentwicklung ist der Weg,

der letztlich von der Angst vor dem Tod wegführt. Davon bin ich jedenfalls überzeugt. Auch davon, dass es der einzige Weg ist.

Es ist natürlich vermutlich beschwerlich, man muss sich mit Dingen auseinander setzen, die man lieber vermeiden möchte. Aber die Augen zu verschließen hat einen sehr hohen Preis. Es kann unsere Gesundheit kosten, unser Wohlgefühl, Leichtigkeit, Freude oder Glück. Unser Gefühl für uns selbst, unseren Selbstwert, unsere Identität. Denn wenn wir „das Schlechte“ aussperren, sperren wir auch „das Gute“ aus. Die Angst vor den Schmerzen, die wir erleiden könnten, wenn wir gewisse Dinge fühlen, ist häufiger viel größer als das ursprüngliche Gefühl.

Herauszufinden, wer man eigentlich ist, was man möchte und wo der eigene Platz im Gefüge der Welt ist (und JEDE*R hat einen ganz eigenen Platz, den nur er/sie besetzen kann) ist demnach unglaublich befriedigend.

Einen ganz spielerischen Zugang zu Persönlichkeitsentwicklung

kann ich Ihnen mit meiner Rauhnachtsreise bieten, die vom 24. Dezember bis zum 6. Januar stattfindet. In den Rauhnächten hat jeder Tag ein besonderes Thema, mit dem man sich beschäftigen kann. Auf meiner Klopfreise bekommen Sie jeden Tag kleine Impulse zum jeweiligen Tagesthema, können sich Gedanken über das vergangene Jahr machen und sich ausrichten auf das kommende. Und natürlich ziehe ich auch für jeden Tag wieder ein neues Switchword (ein Schalt- oder Machtwort  – funktioniert viel besser als Affirmationen), das dann als Grundlage für eine Klopfrunde zum jeweiligen Tagesthema dient.

Es ist auch eine ziemlich gute Gelegenheit, das Klopfen auf andere Weise zu erleben. Die Klopfakupressur hat ja sehr viele verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Es ist auf jeden Fall eine andere Art des Klopfens als die, die ich Ihnen in meinem kostengünstigen Klopfkurs zum Thema Überforderung vermittele.

Machen Sie sich auf die Reise zu sich selbst.

Die Rauhnächte sind dafür ganz wunderbar als Einstieg geeignet.

In diesem Sinne freue ich mich, wenn Sie dabei sind.

So oder so wünsche ich Ihnen schöne Feiertage und einen guten Übergang in das neue Jahr.

Bitte bleiben Sie gesund!

Von Herzen, Ihre

Monika Richrath

Bild von silviarita von Pixabay 

Was durch ein Bild deutlich wird

Was durch ein Bild deutlich wird

Mit der  Kunsttherapeutin Elvira Schmitz verbinden mich ganz besondere Umstände: Frau Schmitz war die Kunsttherapeutin meiner Mutter und hat meine Mutter im Sterbeprozess unterstützt. Vor kurzem jährte sich der 2. Todestag meiner Mutter und ich freue mich sehr, dass Frau Schmitz bereit ist, sich mit mir über ihre Arbeit zu unterhalten.

Ich zeige Elvira Schmitz einen von mir gebastelten Baum und bitte sie, etwas dazu zu sagen.

Schmitz: Der Baum ist ein schönes Sinnbild für die kunsttherapeutische Begleitung. Der  Baum als Selbstbild, das die momentane Lebenssituation abbildet. Es ist mir wichtig, der begleiteten Person Raum zu lassen für das, was in ihr wachsen  möchte. Dabei gilt es, nicht die Richtung des Wachstums vorzugeben, sondern die Wachstumsbestrebungen zu fördern. Ein Baum ist dafür ein gutes Beispiel.

Warum ist das „Raum lassen“ so wichtig?

Schmitz: Durch das Zulassen eigener Bilder und Symbole kann sich der Mensch ohne Leistungsdruck entfalten. Die nicht wertende und empathische Begegnung mit der Therapeutin kann  befreiend und inspirierend wirken. Die Ganzheit  des Menschen wird angesprochen. Dies ermöglicht ein langsames und vertrauensvolles Hineinwachsen in die therapeutische Beziehung. Eine Beziehung die angst- und wertfrei ist.

Ist das immer so?

Schmitz: Natürlich kommt auch hinzu, dass der Mensch sich zeigen möchte, und das ist auch gut so. Durch das Zeigen wird ja auch viel von der Persönlichkeit des Gegenübers sichtbar. Und das finde ich so spannend am Miteinander. Ist das bei Ihrer Arbeit auch so?

Bei mir ist es auch so, aber anders. Wenn ich einen Vergleich machen müsste, dann geht es bei mir eher in die Entfaltung. Und wenn ich mir angucke, was mit meiner Mutter geschehen ist, dann war der Prozess umgekehrt, der ging von außen nach innen.

Ja ganz definitiv. Vor allem auch, weil meine Mutter so wahnsinnige Angst vor dem Tod hatte und ich finde, es ist immer noch ein Mysterium und Wunder, dass sie es geschafft hat, loszulassen. Und Sie haben ihr dabei wahnsinnig geholfen.

Schmitz:Ihre Mutter habe ich als eine sehr direkte und im positiven Sinne fordernde Frau erlebt. Sie suchte ein klares und aufrichtiges Gegenüber. Dies ist in einer therapeutischen Beziehung meist einfacher als in einer Familiensituation. In dem Buch „Eine Rose hält das Gleichgewicht“, das ich über die Begleitung ihrer Mutter geschrieben habe, wird dies deutlich.

Können Sie das genauer beschreiben?

Schmitz: Ihre Mutter war bereit, mich als kompetente Begleiterin anzunehmen. Jemand, der der zuhört, nicht bewertet und Raum schafft für Gedanken und Gefühle. Das Besondere unserer Beziehung aber war, dass ihre Mutter mir erlaubte, für sie zu malen.

Wegen ihrer Erkrankung konnte sie das selbst nicht mehr. Durch dieses Verfahren, das in der Kunsttherapie als Bilddiktat bekannt ist, konnte ihre Mutter das ausdrücken, was ihr auf der Seele lag, und was nicht in Worte gefasst werden kann: Angst, Hilflosigkeit, Trauer, aber auch Hoffnung und Lebensfreude. Und dies trotz der schweren Erkrankung und dem Wissen um den nahen Tod.

Wie sind Sie dazu kommen, das zu machen, was Sie jetzt tun?

Schmitz: Als Kind hatte ich viele Bilder im Kopf und habe mir meine eigenen Fantasie-Räume geschaffen. Angeregt durch illustrierte Kinderbücher begann ich zu zeichnen und zu malen. Da bin ich ganz in meine Bildwelt eingetaucht und konnte meinen Fantasien Ausdruck verleihen und sie sichtbar machen. Dabei habe ich mich pudelwohl gefühlt. Und genau dieses Wohlfühlen ist das, was ich in der kunsttherapeutischen Begleitung erreichen möchte. Denn dieses wunderbare Gefühl ermöglicht auch hochbelasteten Menschen, sich nicht als krank und hilflos, sondern als stark, aktiv und schaffend zu empfinden. Das sind die Ressourcen, die wir in uns tragen und die uns helfen, zu leben.

So geht es mir ja auch mit dem Zeichnen. Wenn ich jetzt gerade noch einmal einen Schritt zurückgehe, dann haben Sie sich nicht von Anfang an gesagt, ich mache jetzt etwas mit Kunst?

Schmitz: Es hat mich immer dorthin gezogen, aber klar war es nicht. Manchmal trifft man im Leben  Menschen, die einen auch ohne große Worte auf den Weg bringen können. Ich hatte das Glück und habe freie Kunst an der FH in Köln studiert.

Und wie ging es weiter?

Schmitz: Durch den Tod meinen Vaters bin ich in den Hospiz-und Palliativbereich „geführt“ worden.   Dieser Verlust hat in mir eine tiefe Trauerphase ausgelöst. Als ich diese Trauer nicht mehr allein tragen konnte, bin ich zu meiner Zen-Lehrerin gefahren und habe dort ein Seminar zu und über Rainer Maria Rilke belegt. Dort fand meine Trauer ihren Platz in Gedichten und Bildern. Diese Erfahrung hat mich zum nächsten Lebensschritt geführt.

Wie sind Sie zur Hospizarbeit gekommen?

Schmitz: Ich las in der Zeitung einen kurzen Artikel mit dem Titel „Wer gründet mit mir einen ambulanten Hospizdienst?“ Da bin ich hin und habe gemeinsam mit anderen Menschen einen ambulanten Hospizdienst gegründet. Dort war ich im Vorstand tätig und  habe kranke und sterbende Menschen begleitet. Das war genau das, was ich suchte.

Gibt es noch andere Einflüsse?

Schmitz: Meine Malkurse für Erwachsene und Kinder. Neben dem Vermitteln  kreativer Techniken ist es mein Anliegen, die Freude am Malen zu fördern. Weniger Technik, dafür mehr malerische Selbsterfahrung. Zu schauen, was und wie der Mensch malt und nur Hilfestellung anzubieten, wenn es gewünscht wird. Das habe ich bei Arno Stern in Paris gelernt: Wertschätzend wachsen lassen.

Was bedeutet „Wertschätzend wachsen lassen in diesem Zusammenhang?“  

Schmitz: Unbedachte Worte können viel zerstören, besonders im kreativen Bereich. Das bekomme ich immer wieder von Menschen aus deren Schulzeit geschildert. Aussagen wie: „Du kannst nicht malen“, „das ist falsch“ oder „das sieht nicht aus“ führen dazu, dass erwachsene Menschen diese Urteile ein Leben lang mit sich herumtragen.

Wertschätzend wachsen lassen ist meine Antwort auf falsche Glaubenssätze, die verhindern, dass kreatives Tun und die Freude daran zu einer heilsamen Ressource wird.

Und was hat Sie dazu gebracht Kunsttherapie zu studieren?

Schmitz: In meinen Kursen erlebte ich häufig Menschen, die sich in Lebenskrisen befanden. Ich wurde mit Depressionen, schwerwiegenden Erkrankungen und Trauer konfrontiert. Ich fühlte ich mich nicht genügend gerüstet, was mich veranlasste, Kunsttherapie zu studieren.

Das ist also eine richtige Ausbildung?

Schmitz: Ja, ein Vollzeitstudium, das mit dem Master of Arts abschließt. Von morgens bis abends in den Vorlesungen zu sitzen war ungewohnt für mich, weil nicht so selbstbestimmt wie mein Leben vor dem Studium. Aber es war gut. Ich habe viel gelernt und erfahren, dass ich vieles intuitiv richtig gemacht hatte. Seither arbeite ich als Kunsttherapeutin mit dem Schwerpunkt hospiz- und palliative kunsttherapeutische Begleitung. Dazu gehört auch der Bereich der Trauerbegleitung.

Findet man als Kunsttherapeutin eine Anstellung?

Schmitz: Ich wollte von Anfang an freiberuflich arbeiten. Im Palliativbereich bin ich als freie Kunsttherapeutin für das Zentrum für Palliativmedizin am Malteserkrankenhaus in Bonn und die Palliativstation „Saunders“ in der Uniklinik in Bonn tätig. Daneben betreue ich auch Klienten auf Honorarbasis.

Ist es denn immer so, dass es geht wie bei meiner Mutter, dass Sie für die Leute malen?

Schmitz: Nein, nicht immer. Ich male nur dann für Menschen, wenn sie selbst nicht mehr malen können oder wollen. Bei einer älteren Dame habe ich es erlebt, dass sie nach anfänglichen Versuchen das Malen mir überlassen hat. Das gibt es auch.

Und wenn die Leute selber noch malen können, dann sprechen Sie mit Ihnen?

Schmitz: Ja. Es ist wichtig gemeinsam zu erkunden, was die Person interessiert, was und wie sie malen oder modellieren möchte. Um das herauszufiltern zeige ich verschiedene Materialien und motiviere, diese auszuprobieren. Wenn ein Material, z.B. Pastellkreide, ausgewählt wird, kann ein Thema entstehen. Dazu bringe ich unterschiedliche Bildmotive als Vorlage zum Malen mit. Wenn jemand Tiere mag, dann kann ich daran anknüpfen und ein Bildmotiv als Vorlage und Inspiration zum Malen anbieten. Natürlich kann auch ohne Vorlage aus der Fantasie gemalt werden.

Ist das Verfahren immer gleich?

Schmitz: Es gibt viele Herangehensweisen. Es kann auch sein, dass die Person weiß, was sie malen möchte, oder es ergibt sich ein Thema aus dem Gespräch. Es ist immer individuell und von Mensch zu Mensch verschieden. Wichtig ist, dass es eine genaue Auftragsklärung gibt. Was wünscht sich die Person von der Begleitung, welche Vorstellungen und Erfahrungen gibt es?

Was machen Sie, wenn kein Bilddiktat gewünscht ist?

Schmitz: Meistens male ich während der „Malzeit“ auch, damit die begleitete Person sich nicht beobachtet oder im schlimmsten Fall bewertet fühlt. Wenn sich während des Malens ein Gespräch entwickelt, sollte wertschätzend über die Inhalte des Bildes gesprochen werden. Dann wirken Worte klärend. Auf der Bildebene können selbst schwere und belastende Situationen mit wohltuendem Abstand betrachtet werden. Dies ermöglicht ein schrittweises Herangehen und Entdecken der Ressourcen des Malenden. Auf jeden Fall wirken die Bilder über den Malmoment hinaus.

Wie bei meiner Mutter

Schmitz: Ja, ihre Mutter ist ein wunderbares Beispiel, weil sie im Detail über ihr Tun reflektierte. Jede Farbnuance war ihr wichtig. Sie verband  damit bestimmte Assoziationen. Zum Beispiel  erinnerte sich ihre Mutter bei der Farbe Lila an einen lilafarbenen Rucksack, den sie von einer ihrer Töchter zum 50. Geburtstag geschenkt bekam. Und welche Gefühle damit verbunden waren.

Ich stelle mir vor, dass Ihre Arbeit sehr befriedigend sein muss …

Schmitz: Sehr. Diesen Moment mitzuerleben, wenn ein Mensch seine Erfahrung mit einem teilt und sich vertrauensvoll auf die malende Kommunikation einlässt. Und über das Malen für sich einen Erlebnisraum öffnet, der wieder mit dem Leben verbindet oder versöhnt. Und das alles trotz leidvoller Erkrankung.

Ich fühle mich beschenkt, dass ich Menschen auf diese spezielle Weise begleiten kann. Dazu gehört auch, von der Lebensgeschichte berührt zu werden, ohne die therapeutische Aufgabe der Begleitung aus den Augen zu verlieren. Hierfür ist der Malprozess ihrer Mutter beispielhaft.

Ich verstehe das sehr gut, das ist bei mir ja auch nicht anders.

Schmitz:  Die Beziehung ist das, was trägt. Und künstlerisches Tun ist ein wunderbares Beziehungsangebot. Aber auch ihr Angebot, oder Musik, Tanz, Theater, Singen und vieles mehr.

Wie sehen Sie denn Hochsensibilität, wenn ich die Frage mal ganz vage formulieren soll, denn Sie sind doch auch hochsensibel, oder?

Schmitz: In meinem Beruf sollte ich das sein.

Wenn ich Ihnen so zuhöre dann denke ich, Sie können nicht nicht hochsensibel sein. Das geht irgendwie gar nicht. Haben Sie sich damit schon einmal auseinandergesetzt?

Schmitz: Eine Freundin, die selbst Therapeutin ist und mein Buch über ihre Mutter gelesen hat, sagte zu mir: „Weißt du, ich habe dein Buch gelesen. Und dann ein Buch über Hochsensibilität. Das musst Du unbedingt lesen. Du bist auch eine davon!“

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Frau Schmitz!

"Eine Rose hält das Gleichgewicht"

„Eine Rose hält das Gleichgewicht“ zeigt die außergewöhnliche Auseinandersetzung einer starken und mutigen Frau mit ihrer schweren Erkrankung. Komplett gelähmt und unfähig zu sprechen, schuf sie bewegende Bilder durch die Hilfe einer Kunsttherapeutin, die das Malen nach genauen Angaben stellvertretend übernahm. Über mehrere Monate hinweg wurde dieser Sterbeprozess durch ein Team verschiedener Berufsgruppen der Pallativversorgung begleitet. Die vorliegende Geschichte ist zwar keine Siegesgeschichte, aber eine Lösungsgeschichte: „Die Rose trägt den Kopf recht eigenwillig und trotzig. Geschwungen, aber mit einer gewissen Kraft. Von hier aus sieht es aus, als sei die Blüte das Nest. Fast wie ein Triumph.“ Kurzbeschreibung und Bestellung:  http://www.malzeit-praxis.de/malzeit-mobil/ Weitere Infos zu Elvira Schmitz
Katastrophale Pflege

Katastrophale Pflege

Pflege ist ein Thema, das mir schon lange unter den Nägeln brennt, ich halte es für ziemlich bedeutsam im Zusammenhang mit Hochsensibilität. Am frappierendsten fand ich:

Die Welt der Pflege ist eine Parallelwelt

Früher starben Menschen an den unterschiedlichsten Ursachen. Manchmal legten sie sich einfach hin und wachten nicht mehr auf. Heute werden Menschen älter, irgendwann häufig in irgendeiner Form krank (häufigste Todesursachen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs). Oft dauert es  Jahre, bis sie  sterben. Aber in der Zwischenzeit müssen sie leben, gepflegt und versorgt werden und dann ist erst einmal guter Rat teuer.

In der Regel (wenn man nicht gerade elternlos oder in anderen Umständen aufgewachsen ist) hat man zu diesem Zeitpunkt ein eigenes, ausgefülltes Leben, sich innerlich mehr oder weniger von den Eltern distanziert, emanzipiert oder eine andere Art von Befreiungsarbeit geleistet und dann kommt plötzlich alles zurück. Bei der Recherche, welche Möglichkeiten es zur Versorgung unserer Mutter gab, stellte ich fest, dass von Seiten des Staates erwartet wird, dass man sich um seine Eltern kümmern soll. Nichts, absolut nichts, hatte mich darauf vorbereitet. Es war auch gar keine Frage, ob ich und meine Geschwester unsere Mutter unterstützen wollten. Natürlich haben wir das gerne gemacht, es war wie ein letzter Liebesdienst und eine Gelegenheit, unserer Mutter, die uns fünf Kinder alleine großgezogen hat, etwas zurückzugeben.

Das Leben verändert sich

Man betritt ein Universum, das äußerst stressig, reglementiert und begrenzt ist, begrenzt an Zeit, begrenzt an Geld. Interessanterweise werden Sie, wenn Sie in eine solche Situation geraten, sehr schnell feststellen, dass man zwar von Ihnen erwartet, sich um Ihre Eltern zu kümmern, dieser Einsatz aber in keiner Weise honoriert wird.

Wenn eine Pflegeleistung von einem Familienangehörigen erbracht wird,

gibt es dafür nur die Hälfte des Geldes, das eine Pflegeorganisation bekommen würde. Der Beitrag zur Entlastung durch andere Personen ist geradezu lächerlich (aktuell 104,- EUR im Monat, das bedeutet für Sie mal gerade ca. 4 Stunden, die Sie sich nicht kümmern müssen). Der Staat zieht sich auf diesem Wege eine neue Burnout-Generation heran, die noch dazu unter einer Art Pflege-Armut leidet …

Pflege ist oft ein Vollzeitjob

Einschätzungen und Gutachten anderer Menschen werden wichtig. Rezepte müssen von Ärzten abgeholt werden (manchmal nur gegen Vorlage einer Vollmacht). Hilfsmittel werden erforderlich und damit ein nicht endendes Tauziehen mit den Krankenkassen um die Bewilligung derselben. Neue Ärzte müssen ausfindig gemacht und die Kranken zum Arzt begleitet werden. Kleine Alltagserledigungen können sich zu großen Problemen ausweiten. Was ist, wenn die Kranken in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und sich nicht mehr selbst waschen oder nicht mehr kochen können? Gerade die Nahrungsmittelversorgung für Pflegebedürftige ist eine absolute Katastrophe. Es erwies sich in unserem Fall als absolut

unmöglich, gutes, laktosefreies, püriertes Essen zu bekommen.

Meine  Mutter versuchte es durchaus mit verschiedenen Lieferdiensten, das Essen war immer labbrig, schmeckte nach Kantine und es musste jemand kommen, der das Essen zerkleinerte. Wir haben dann schließlich selbst gekocht – aber es musste immer noch jemand kommen, der das Essen warm machte …

Sie selbst verändern sich

Obwohl die Grundversorgung meiner Mutter von medizinischen Dienstleistern übernommen wurde, blieben noch genug Aufgaben für mich und meine Geschwister übrig. JedeR übernahm etwas anderes. Nun erwies es sich als vorteilhaft, dass wir so viele sind. Nichtsdestotrotz bemerkte ich schon nach relativ kurzer Zeit, dass die Welt sich zusammenzurrte, ich mich ganz automatisch auf meine Mutter und ihre Bedürfnisse fokussierte. Wie früher eigentlich, als ich noch nichts von meiner Hochsensibilität wusste und mich IMMER zuerst um andere kümmerte und dann erst um mich. Vor mir selbst hatte ich es so rechtfertigt, dass ich mich nicht wohlfühlen kann, wenn andere sich nicht wohlfühlen. Puhhh …

Zwar waren nun die Grundvoraussetzungen andere, aber irgendwie war es doch gleich. Selbst, wenn ich mich um mich selbst und meine Belange kümmern wollte, hatte ich oft einfach nicht mehr die Energie dazu. In den zwei Jahren, in denen wir meine Mutter bei ihrer ALS begleitet haben, stand ich oft mit mehr als einem Bein in einem weiteren Burnout.

Am schwierigsten war es, wenn ich versuchte, mich selbst und meine Bedürfnisse durchzusetzen (Mit zunehmender Überforderung habe ich natürlich versucht, mich mehr an meinen eigenen Bedürfnissen auszurichten, weil mir ganz klar war, dass es dringend erforderlich ist). Allerdings lief ich damit häufig gegen Mauern. Mein Bedürfnis wurde zwar anerkannt, aber trotzdem nicht erfüllt. Und jedesmal, wenn das passierte, wurde ich ein bisschen depressiv. So als hätte ich kein Recht auf eigene Bedürfnisse.

Hochsensibles Pflegepersonal

Ich habe keine Statistiken zur Untermauerung vorzuweisen, aber ich bin davon überzeugt, dass gerade im Pflegebereich sehr viele hochsensible Menschen zu finden sind, einfach wegen ihrem Idealismus, ihrem unverbrüchlichen Interesse an anderen Menschen, an ihrer Lust, andere zu unterstützen. Ich finde, es ist eine Schande, dass ausgerechnet diese Menschen so wenig Unterstützung erfahren und regelrecht verbraten werden in einem völlig unzulänglichen Pflegesystem, das weder den Pflegebedürftigen, noch dem Pflegepersonal gerecht wird. Menschlichkeit und Herzlichkeit bleiben auf der Strecke.  Von einer guten finanziellen Entlohnung kann man wohl auch nicht sprechen, denn insgesamt wollen immer weniger Menschen andere pflegen, was zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der Lage führt.

Gelegentlich gebe ich Klopfakupressur-Workshops zu wohltätigen Zwecken und der bislang schwierigste Workshop, den ich je gegeben habe, war mit Pflegepersonal einer Behinderten-WG. Die Verzweifelung der Teilnehmer hat mich noch Wochen verfolgt …

Im Netz habe ich einen kurzen Clip gefunden, in dem diese Zustände ganz anschaulich beschrieben werden.

Es war mir ein bisschen komisch, über ein so schweres Thema an einem so schönen, sonnigen Tag zu schreiben, aber, nun ja, es ist Muttertag, und ich denke an meine Mutter …

Wie ist es mit Ihnen? Ist Pflege ein Thema für Sie? Haben Sie Vorschläge, Empfehlungen, Lösungen?

Herzlichst, Ihre
Monika Richrath

Pflege am Boden

Ein kuzer, aber sehr aussagekräftiger Ver.di Clip über die Zustände in der Pflege
de_DEDeutsch