Vor ziemlich genau 5 Jahren ist meine Mutter gestorben. Seit ihrem Tod hat sich unser Verhältnis zueinander immer wieder verändert und gewandelt. Grund genug um einmal eine Art Zwischenbilanz zu ziehen. Möglicherweise bin ich auch nach fünf Jahren immer noch nicht „am Ende“ angekommen. Ich habe so viel gelernt über Hochsensibilität im letzten Jahr, aber auch über Trauma und es ist unmöglich für mich, beides voneinander zu trennen. Das liegt sicher an den belastenden Kindheitserfahrungen.
Mein Verhältnis zu meiner Mutter war immer sehr schwierig.
Sehr beladen mit unausgesprochenen und unaussprechlichen Dingen. Ich habe ihr immer irgendwie gegrollt, jahrzehntelang, ohne genau zu wissen, warum. Im Nachhinein denke ich, dass meine Mutter diesen Groll auch gespürt haben muss. Allerdings wurde er nie thematisiert. Wenn ich eins von meiner Mutter gelernt habe, dann das, wie man Dinge ausschweigt.
Immer habe ich das Gefühl gehabt, um meine Geburt ranke sich ein Geheimnis. Als Kind und Jugendliche habe ich oft das Gefühl gehabt, gar nicht zur Familie zu gehören, vielleicht bei der Geburt vertauscht worden zu sein. (Vielleicht kennen andere hochsensible Menschen das Gefühl, dass da keine Liebe ist, ja auch?) Vielleicht war mir schon
als Kind bewusst, dass etwas fehlte, dass ich einsam war.
Einmal haben wir (einige meiner Geschwister und ich) unsere Mutter gefragt, für wieviel Geld sie uns verkaufen würde. Weiß der Geier, wie wir darauf kamen. Meine Mutter hat gelacht und gesagt, sie würde uns niemals verkaufen, wir seien doch ihr Liebstes auf der Welt. Ich weiß noch genau, wie erleichtert ich da war. Wie sich ein gewisser emotionaler Stress auflöste. „Sie liebt uns also doch“ habe ich gedacht. Ich hatte zwar nicht wirklich angenommen, dass sie uns verkaufen würde, aber offenbar habe ich mich in meinen ersten Kindheitsjahren emotional in einer Art Niemandsland bewegt.
Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich damals war. Vielleicht sieben oder acht Jahre, nicht mehr klein und noch nicht groß. Aber in gewissem Sinne hatte ich überhaupt keinen festen Boden unter den Füßen. Bis zu diesem Moment hatte es schon mehrere schwerwiegende Bindungsabbrüche gegeben.
Heute denke ich, dass diese Zeit vor allem
durch Bindungslosigkeit und Verbindungsstörungen geprägt
war. Demzufolge hatte ich überhaupt keine Vorstellung davon, was ich anderen Menschen bedeuten könnte. Bis Mitte 40 (bevor ich die Klopfakupressur und Klopfen entdeckte), war ich mir überhaupt nicht sicher, dass überhaupt jemand, irgendjemand zu meiner Beerdigung kommen würde.
Heute weiß ich, dass dieses Gefühl einer (vielleicht krankhaften?) Bindungslosigkeit u. a. auch daher rührt, dass es bis auf den einen, eben erwähnten Augenblick, niemals ganz direkte Liebesbezeugungen gab. Nie habe ich so etwas gehört wie „Ich hab dich lieb.“ Das hat Spuren hinterlassen.
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht,
ob sich diese Wunde jemals wirklich schließen wird.
Vor kurzem habe ich noch einmal den Film „Lion“* gesehen, den ich sehr mag. Jedes Mal heule ich Rotz und Wasser. Vor allem weil Saroo, um dessen Lebensgeschichte es hier geht (durch unglückliche Umstände von seinem Heimatland Indien nach Tasmanien verschlagen, wo er adoptiert wird) sich sein ganzes Leben lang der überschwänglichen und grenzenlosen Liebe seiner biologischen Mutter bewusst bleibt. Eine Liebe, die ich von meiner Mutter nicht bekommen habe.
Trotzdem haben sich Dinge verändert.
Ich habe meinen Groll losgelassen. Das ist ganz automatisch ohne mein Zutun geschehen, durch die Krankheit meiner Mutter.
Ich habe herausgefunden, dass es keine Geheimnisse gibt um meine Geburt. Nur Überforderung im Alltag. Und eben auch, dass meine Mutter sich aufgrund der Überforderung weder über die Schwangerschaft, noch auf mich gefreut hat. Vielleicht wollte meine Mutter mich auch nicht, das kann ich nicht mehr herausfinden. Und das will ich auch gar nicht genau wissen. Das, was ich weiß, ist schon schwierig genug für mich.
In den vergangenen fünf Jahren habe ich natürlich versucht, klarzukommen, mit dem, was ich herausgefunden habe. Das Tool meiner Wahl war dabei Matrix Birth Reimprinting von Sharon King (über das du auf meinem Blog mehrere Artikel finden kannst) und ich habe mir dazu professionelle Hilfe gesucht.
Image by Schmidsi from Pixabay
Ein sehr wichtiger Teil von Matrix Birth Reimprinting ist es, dass man die Umstände seiner Geburt verändert und ich habe davon reichlich gebraucht gemacht. Zum Beispiel kam ich in einer wahnsinnig gemütlichen Baumhöhle zur Welt. Ähnlich wie die Wohnung von Kaninchen in Winnie the Poo, mein Vater, meine Geschwister sind alle da. Ich konnte ein Bonding direkt nach der Geburt mit meinem Vater nachholen, aber mit meiner Mutter gab es kein Bonding. Und ich habe über mehrere Jahre hinweg mehrere Sitzungen gehabt.
Zuguterletzt habe ich mich entschieden, noch einmal geboren zu werden und
mich selbst in Empfang zu nehmen.
Meine Mutter einfach loszulassen. Das war eine wunderschöne Sitzung, die in mir sehr viel verändert hat. Ich war so erleichtert. Danach hatte ich auch nicht mehr das Bedürfnis, dieses Thema zu bearbeiten.
Allerdings arbeitet es offenbar noch im Unterbewusstsein oder im Unbewussten. Vor einiger Zeit habe ich ja begonnen, mich endlich mit den traumatischen Ereignissen meines Lebens zu beschäftigen. Das führt offenbar dazu, dass ich das Gefühl habe, ich hätte überhaupt nie eine Mutter gehabt! Und dass mir das Gefühl trotz einer großen Familie allein zu sein, sehr präsent ist. Darum fühle ich mich gerade sehr mutterlos.
Natürlich habe ich auch Dinge von meiner Mutter bekommen. Sehr gute Dinge. Sie hat immer unsere Kreativität gefördert. Interesse an Kunst geweckt. Interesse an allem. (Heute glaube ich, dass meine Mutter eine Scannerin war.) Und sie hat mir diese wahnsinnigen spirituellen Erfahrungen geschenkt, die ich mit ihrem Tod und Sterben machen konnte. Erfahrungen, die mich auf immer verändert haben.
Aber es bleibt auch dabei, dass ich erst nach ihrem Tod das Gefühl hatte, jetzt wirklich frei zu sein, mein eigenes Leben zu leben. Das Leben ist wirklich voller Überraschungen.
Es kann natürlich sein, dass sich das alles noch einmal ändert, aber im Augenblick fühlt es sich nicht so an für mich.
Wie geht es dir mit deiner Mutter? Kennst du ähnliche Gefühle? Wie immer freue ich mich, wenn du mir schreibst.
Von Herzen,
Bild von Free-Photos von Pixabay
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